Bestenfalls Skepsis

„Die Inflation entspannt sich weiter“, lese ich am Morgen in den Schlagzeilen und finde das erfreulich, dass es sich wenigstens die Inflation gut gehen lässt und sie also schön gechillte Tage bei uns verlebt, wenn schon sonst niemand im Umfeld.

Den entspannt gibt sich weiterhin eher niemand, ist eher niemand. Nicht in den sozialen Medien, nicht im Offlineumfeld. Die schlechte Laune hält sich, die verstetigte Anspannung und das Stressgefühl, ein depressives Element auch, eine Art Verbitterung, Zynismus, Pessimismus, Varianten der Resignation. Bestenfalls Skepsis. Ich stelle nur fest, ich werfe nicht vor. Ich kann das alles verstehen und ich kann auch leicht nachvollziehen, warum wir in der Gesamtheit aus der Schleife nicht mehr herauskommen, die Nachrichtenlage gibt es schon her, unser gemeinsames Älterwerden selbstverständlich auch. Man wird den Wirren der Welt nicht zugeneigter mit den Jahren.

Ich bin bemerkenswert schlecht darin, mich in vergangenen Jahren zu orientieren, aber eine Phase, in der eine neutrale oder sogar zwischendurch positive Stimmung gesellschaftlich überwog – sie wird mittlerweile länger als sieben Jahre her sein. 2014 vielleicht? Also zehn Jahre schon? Aber wie gesagt, ich bin nicht gut darin. Irgendwann jedenfalls waren wir mal etwas besser drauf. Damals.

Und es ist nur ein vages Gefühl, keine exakte Ableitung, aber ich nehme an, dass die jungen Menschen, die jetzt in das Erwachsensein starten, mehrheitlich nicht mehr mit dem Gedanken „Mal sehen, was wir alles erreichen können“ loslegen, sondern eher mit dem Gedanken „Mal sehen, wie wir da gut durchkommen.“ Das ist keine zwingend fatale Haltung, aber es ist doch eine fundamental andere, als sie vorhergehende Generationen hatten.

Na, egal. Auch mal zwischendurch etwas Schönes zur Kenntnis nehmen, etwas Nettes, Erbauliches! Irgendetwas, was nehme ich denn da, vielleicht einfach die weißen Tulpen auf dem Wohnzimmertisch neben mir.

Allerdings lassen die auch ihre Köpfe deutlich hängen. Irgendwas ist immer.

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Dreifaches Gelb

Weil sich alles in allem spiegelt und das Private nun einmal politisch ist: Die Brotschneidemaschine beim Bäcker ist erneut kaputt, nachdem sie das bereits monatelang war und nie jemand verfügbar war, der sie reparieren konnte – der Personalmangel. Jetzt hat sie nach kurzer und finaler Betriebsphase endgültig den Geist aufgegeben. Es wird also ein neues Gerät geben müssen und auf meine Frage, wie lange das mit Bestellung und Lieferung denn dauern könne, gab es resigniertes Achselzucken und die vage Auskunft: „Sehr, sehr lange.“ Es klang wie sieben Jahre oder dergleichen, jedenfalls aber nach vatikanischen Zeitmaßstäben.

Ceterum censeo: Wir lösen keine Probleme mehr, wir sind wirklich recht weit heruntergekommen, was Prozesse, Lösungen und schon gar die Effizienz angeht. Ob nun bei der Digitalisierung, bei Fregatten oder bei Brotschneidemaschinen, einfach bei allem. Kommste heut nicht, kommste morgen. (Diese Wendung schnell einmal nachgelesen, manche führen sie auf einen Satz aus Köln zurück: „Küss de hück nicht, küss de morje.“ Das ist doch wenigstens nett.)

In diesem Zusammenhang ist auch interessant, wie lange mittlerweile Postsendungen aus UK zu uns brauchen. Wir waren vermutlich im 19. Jahrhundert schon einmal nennenswert weiter dabei und ja, es nervt alles und ebenfalls ja, es sind privilegierte Probleme, ich weiß.

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Andrea Diener über Straßenfotografie, gefunden via Kaltmamsell. Fotos mit einer Kamera könnte man auch mal wieder machen, fällt mir dabei ein. Ich neige dazu, so etwas jahrelang zu vergessen.

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Frau Fragmente wird 20, wie ist das nun wieder möglich. Glückwunsch jedenfalls!

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Kurz im Garten gewesen. Drei Stationen sind das nur mit der U-Bahn. Dort ausgestiegen und überrascht gemerkt, dass es da, wo es etwas mehr Park und Hecken gibt, ein paar mehr Rasenflächen auch und mehr Bäume, tatsächlich nach März und Frühjahr riecht, nach Erde, nach Grün und überhaupt deutlich nach Natur, ganz auffällig riecht es dort so. Bei uns im kleinen Bahnhofsviertel ist das nicht so, diesen Effekt schafft der kleine Spielplatz vor der Haustür nicht.

Im Garten blühen die Osterglocken, die Forsythien und die Kornelkirsche, dreifaches Gelb. Und der Rhabarber treibt frisch aus, eine rote Note von unten. Man muss aber noch genau hinsehen, sonst geht man ohne Notiz daran vorbei.

Na, es wird. Das meinen auch die dicken Knospen an Birne, Apfel und Kirsche.

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Saisonale Deko

Ich höre bei der Sendung Radiowissen auch die Themen, die mich eher nicht sofort interessieren, zu denen ich keinen direkten Bezug habe und bei denen ich geistig wenig anlegen kann. Das ist manchmal nichtssagend, aber oft unerwartet bereichernd, etwa bei dieser Folge hier über prähistorische Musikinstrumente – Der Sound der Steinzeit. Ausgesprochen gerne gehört. Und wie schön, dass sich Menschen mit so dermaßen abgedrehten Themen wir etwa Musikarchäologie beschäftigen, mich freut das. Oder diese Folge hier, über die Nabatäer (das sind die mit der Wüstenstadt Petra).

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Wir haben ansonsten Ostern aus dem Keller geholt. Und nachgesehen, die Feiertage beginnen noch diesen Monat. Guck an.

Ab und zu überlege ich, allerdings nur aus müßigem Interesse, keineswegs anlassbezogen oder gar mit finsterer Absicht, bei gewissen Aspekten des Lebens, wie sie wohl für mich ausfallen würden, lebte ich allein, ohne Familie und Partnerin. Und ich denke, saisonale Deko hätte ich dann sicher nicht. Kein einziges Stück. Stets nach Möglichkeit Blumen oder auch Grünzeug der Jahreszeit auf dem Tisch, das schon, aber bunte Hasen und bemalte Eier und dergleichen … nein.

In den Foodblogs sehe ich nebenbei Gebäckrezepte mit Eierlikör, allerdings gab es hier gestern von der Herzdame gebackene Käsesahnetorte mit Mandarinen und einer Milliarde Kalorien, ich möchte an Eierlikör nicht einmal denken.

Eine angeschnittene Käsesahnetorte

Zum Abendessen dann türkische Linsensuppe, nach Rezept von einer KI. Ich habe dafür noch einmal drei Varianten getestet, ChatGPT, Mistral und Gemini. Es gab jeweils sehr ähnliche Ergebnisse und ich fand keine signifikanten Fehler, auch nicht bei der Einforderung von Varianten, mit anderen Zutaten, nach anderen Ländertraditionen, mehr Gewürzen usw. Zum Kochen kann man KI wohl nehmen, solange man nicht gerade bei selbstgesammelten Pilzen um Rat fragt und auch sonst misstrauisch etwa bei Mengenangaben bleibt.

Man kann aber auch einfach konservativ in ein Kochbuch sehen, schon klar. Es stehen genug davon neben mir, etwa auch Türkei vegetarisch aus der sehr guten Seiser-Reihe (keine bezahlte Werbung, nein), da wird die Suppe schon drin sein und es wird beim Nachsehen keine sinnlose Energie verbraucht.

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Frühlingsspuren

Dann ein komplett unblogbarer Tag, wie er in der Intensität selten vorkommt, was wiederum noch ein Glück ist. Das sollte ich vielleicht ab und zu erwähnen, dass so vieles hier nicht steht, dabei ist es bei allen oder bei fast allen Bloggerinnen so – wir schreiben nur über Anteile der Tage, und manchmal sind sie klein, fast winzig. Das Berichtbare eben, das man sich manchmal mit der Lupe und mit langer Bedenkzeit zusammensuchen muss. Das allerdings, dieses Suchen und Bedenken, könnte man glatt in Lebensratgebern empfehlen, so sinnvoll ist es (ich schrieb eben versehentlich Lebensrastgeber, wie schön ist das denn), so heilsam vielleicht auch, aber das klingt schon gefährlich kitschig, da hört man schon die Klangschale im Hintergrund. Gott bewahre, meine Wellness-Allergie.

Kalt war es gestern jedenfalls, das kann ich immerhin notieren, viel zu kalt war es, überall froren die Menschen. Man sah es ihnen deutlich an, und es lag, das sah man auch, an der märzbedingten Winterjackenverweigerung, denn wir tragen jetzt alle verbissen unser Übergangszeug. Es war ja schon einmal warm, nicht wahr.

Die Herzdame war kurz im Garten und kam mit diesen rustikalen Spuren zurück, Zweiglein im Haar, Rindenfetzen auf der Jacke, Moos an der Hose, Gras an den Schuhen, wie man das Outfit einer Kleingärtnerin fürs Fernsehen präparieren würde. Frühlingsspuren.

Sohn II, der seit Jahren ein unheimlich anmutendes Abo auf platte Fahrradreifen hat, stand zum ersten Mal in diesem Jahr mit demontiertem Rad im Flur und suchte sein Flickzeug in der Abstellkammer. Auch das ist bei uns ein Saisonbeginn. Ich hatte als Kind nie einen Platten, er hatte bereits etwa zwanzig, wir wissen nicht recht, wie das zugehen kann. Schlechtes Fahrradreifenkarma vielleicht. Er wird im letzten Leben die Reifen der Fahrräder anderer Menschen zerstochen haben, und er flickt jetzt so lange, bis er das überwunden hat. So etwas.

Der andere Sohn liegt krank und unbrauchbar herum, ich war nur zum Einkaufen und zu einem Termin draußen und ich kann mich, merke ich gerade, an diesen Einkauf nicht erinnern. Das kennen Sie vermutlich vom Autofahren, wenn man sich manchmal, auf bekannten Wegen, kaum an die Strecke erinnern kann, aber doch angekommen ist, weil man als höchstens halbbewusster Automat gefahren ist.

Offensichtlich kaufe ich manchmal so ein. Es ist neues Zeug im Kühlschrank, ich muss beim Discounter gewesen sein. Manches nur ableiten, es wird schon stimmen.

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Wieder das Wort mit R vorne

In den letzten Tagen ging es in Gesprächen um mich herum und auch mit mir um die Rente, um das Weiterarbeiten in der Rente, um das frühere Aufhören vor dem regulären Rentenbeginn, um die verbleibenden Jahre bis zur Rente, um die Regelungen der Verrentung in Details, natürlich auch um die aktuelle Rentenpolitik – wenn man im weitesten Sinne meiner Generation angehört, hört man das Wort mit R vorne mittlerweile doch recht häufig. Wenn nicht ständig.

Interessant war dabei immerhin die Frage: Wenn man seine Arbeitszeit reduzieren würde, also später in der regulären Rentenphase, und wenn man sich die Aufgaben dabei auch noch halbwegs aussuchen könnte, käme man dann auf einen sozusagen besinnlichen, erstrebenswert wirkenden Restarbeitsmodus im aktuellen Beruf? Irgendetwas in wenigen Stunden gemütlich abwickeln, einfach nur, weil man es doch nun einmal kann, weil man es zumindest gefühlt immer schon gemacht hat, weil man dabei doch Erfahrungen hat? Gibt es also eine beschauliche, stressfreie Rumpfversion der jetzigen Tätigkeit? Die Frage hat etwas.

Da also auch mal drüber nachdenken. Irgendwann. Hat ja noch etwas Zeit. Erst einmal sagen wir uns alle noch gegenseitig auf, wann wir sechzig werden oder geworden sind und sagen dann bei allen entgeistert: „Was, du auch!?“ Neue Gesellschaftsspiele.

Und ja, ich kann jetzt schon verstehen, dass junge Menschen von unserer grauen Mehrheit überaus genervt sind. Sehr gut verstehe ich das.

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Ansonsten weitere Genesung nach Plan, während ein Sohn über Start geht, sich neu krank meldet und aus der Schule nach Hause kommt. Die Saison ist noch nicht vorbei, das Virenglücksrad dreht sich noch etwas weiter.

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Im Bild heute der alte Asterdampfer Sankt Georg. Den höre ich in der Saison regelmäßig unten von der Alster her auf seinen Runden tuten, wenn er Touristengruppen an uns vorbeischippert. Immerhin tutet er in einer angenehmeren Tonlage als die nervenzersetzenden Autohupen vor der Haustür, viel tiefer, gefälliger.

Der Bug des historischen Alsterdampfers St Georg.

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Dauerhafte Provokation

Ein Bürotag, das hatte ich lange nicht mehr. Immerhin ist draußen alles ansprechend beleuchtet und in Hammerbrook fällt sogar Sonne auf die große Schandsammlung der deutschen Büroarchitektur und das Wirrwarr der Großbaustellen, eine strahlende Sonne, die uns allerdings nicht recht wärmt in diesen Märztagen, die erst mühsam die Winternachtkälte überwinden müssen.

Die rote Außenbegrenzung des Bahnsteigs Hammerbrook im Sonnenschein

Vor dem Bürofenster steht dann wieder stundenlang der Lieferwagen mit der Aufschrift „Besser zuhause“, das wird allmählich zur dauerhaften Provokation hier. Lieber nicht hinsehen, am besten gar nicht erst aus dem Fenster sehen. Ich bekomme dann aber doch mit, dass noch ein zweiter Wagen neben diesem Lieferfahrzeug hält, und auf dem steht tatsächlich: „Das macht Sinn!“ Ich möchte lange hinaussehen und abwarten, ob heute noch weitere Autos kommen und vielleicht mehr Sätze bilden, ob mir am Ende noch weitere gut lesbare Zeichen gegeben werden.

Aber man muss ja zwischendurch auch etwas arbeiten, wenn man schon in so ein Büro geht, fällt mir noch rechtzeitig ein. Und das mache ich dann auch.

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Nach der Arbeit kurz im Alsterhaus gewesen. Und kaum war man da mal zehn, fünfzehn Jahre nicht, schon findet man da nichts wieder. Es hat alles keinen Bestand mehr heutzutage, in diesen unruhigen Zeiten, es wird alles um eine herum auf den Kopf gestellt. Na, egal. Wenn mir in etwa zehn Jahren einmal wieder ein Grund einfallen sollte, ins Alsterhaus zu gehen, wird es das wahrscheinlich schon gar nicht mehr geben.

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Danach später Mittagsschlaf, wie ausgeschaltet, wie narkotisiert, mit entsprechender Verwirrung nach dem Aufwachen: Wer bin ich und warum. Wohl doch noch halb- oder viertelkrank. Gut, dann ist es morgen nur noch ein Achtel usw.

Kein Buch gelesen, keinen Film gesehen, keinen Podcast gehört. Dafür längere Raufaserbetrachtungen, die muss es auch regelmäßig geben.

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Der Dienstag

So eine zögerliche Genesung ist nichts für ungeduldige Menschen wie mich. Ich möchte bitte entweder krank (ungern) oder gesund (jederzeit gerne) sein, aber dieses Dazwischen, bei dem man auf jede Frage „Wie geht’s“ erst einmal minutenlang ratlos in sich hineinfühlen müsste, weil man einfach keine Ahnung hat, ob es wirklich etwas besser geworden ist – das ist nicht so meins. Im Zweifel mit den Briten antworten: „I’ve had better days.“ Passt eh fast immer.

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Die Berliner Ballade gesehen, also noch einmal gesehen, mit vielen Jahren Abstand zum ersten Mal irgendwann ganz damals (Hauptrolle Gert Fröbe, Regie Robert A. Stemmle und einer der Produzenten war Heinz Rühmann). Bei Filmfriend, Amazon und Apple verfügbar und unbedingt sehenswert.

Der Film ist sogar noch viel besser, als ich ihn Erinnerung hatte, vor allem natürlich, wenn man sich ohnehin gerade für die Nachkriegszeit interessiert.

Auf Youtube gibt es ein Lied aus dem Film, das halbwegs bekannte Lied vom Wartesaal des Lebens. Tatjana Sais singt:

„Im großen Wartesaal des Lebens

Da wartet jeder auf das Glück

Und manche warten ganz vergebens

Das hält vom Warten nicht zurück.“

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Draußen im kleinen Bahnhofsviertel hängen währenddessen Plakate und werben für „Falco – das Musical“, direkt daneben aber und im verdächtig gleichen Layout für „Elvis – das Musical“. Fließbandproduktionen vielleicht. Wie viele tote Sänger werden auf diese Art geehrt, warum keine Sängerinnen, und wie viele Theatersäle hat man dafür bloß auftreiben können. Ich warte ab, bis sie mit der Musikszene durch sind und zur Literatur wechseln, „Günter Grass – das Musical“ und „Peter Rühmkorf – das Musical“, dann gucke ich interessierter.

Wobei vorher noch eben „Mascha Kaléko – das Musical“ von Dota Kehr inszeniert werden müsste, versteht sich.

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Die Temperaturen gehen zurück, Schluss mit der feinen Milde. Die Stühle in der Außengastro bleiben stehen, und weil sie dort stehen, werden sie auch besetzt, das gehört so. Frierende Menschen in Jacken und unter mehreren Decken wärmen Hände und Lippen an Heißgetränken, aber hey, wir habe draußen gesessen, auch am Abend noch. Drei Grad immerhin. So schön.

Vor der Haustür blüht währenddessen mit beispielhaftem Optimismus die Mirabelle auf und es ist dermaßen wunderbar, man müsste es vertonen. Die Mirabelle – das Musical.

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Alles noch einmal sehen

Beim Deutschlandfunk habe ich ein Stück (27 Min.) über das Prompting für KI gehört und mich zunächst gefreut, dass mir fast nichts neu war, dann aber gestaunt über das, was mir doch noch neu war – dass nämlich KI auch auf Belohnung und Bestrafung reagiert, auf emotionale Erpressung also, die letztlich selbstverständlich nur Code ist. Aber wie abgefahren das ist.

Und interessant fand ich auch den Hinweis zum Geschlechter-Bias. Sie bekommen tendenziell bessere Antworten, wenn Sie etwa bei medizinischen Fragen im Prompt vorgeben: „Du bist Arzt“, heißt es da in dieser Sendung, sei also besser als „Du bist Ärztin.“ Das ist schrecklich, aber man sollte es doch wissen, wie sehr diese so neuen Systeme ihre Interpretation der Vergangenheit auf diese Art fortschreiben, und wie sie dadurch sowohl selbst Entwicklung sind als auch der Entwicklung im Weg stehen.

Wobei ich auch nicht weiß, wer so irre ist, der KI medizinische Fragen zu stellen, aber egal. Am besten noch der Dosierungsempfehlung bei Medikamenten dort folgen, und schon ist man ein recht eindeutiger Fall für den Darwin-Award.

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Ansonsten, apropos Medizin, weiterhin halbkrank. Hustend durch die Tage, irgendwo bellte ein Buddenbohm.

Und apropos Darwin-Award, in der Überschrift der New York Times sah ich den Begriff „Last-Chance-Tourism“, der sich dort auf die schmelzenden Gletscher in den französischen Alpen bezog. Bevor sie weggetaut sind, wollen sie alle noch einmal sehen, “but as climate change threatens a growing number of tourist destinations, some worry the tourism is making the problem worse.”

Ach was?!

Im Bild das Hamburger Rathaus am Abend. Warum auch nicht.

Blick auf das Hamburger Rathaus am Abend

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Präsentabel durchs Frühjahr

Die Herzdame und Sohn I waren pünktlich zum März im Garten und haben nach ihren eigenen und nur leicht übertrieben klingenden Angaben dort alles in Grund und Boden gehäckselt, besonders den im letzten Herbst schon reichlich gekappten Efeu, dem die Herzdame stets mit einer mir etwas irrational vorkommenden anmutenden Abneigung begegnet. Meine sicher auch etwas irre Abneigung gilt dagegen dem Kirschlorbeer und den Koniferen, aber die kommen bei uns mittlerweile auch nicht mehr vor.

Ich habe währenddessen und dummerweise bei bestem Wetter doch lieber wieder krank herumgelegen und dabei derart gehustet, dass sich Sohn II nach einer Weile im Vorbeigehen schon einmal freundlich interessiert nach meinen weiteren Überlebenschancen erkundigt hat.

Es geht doch nichts über eine sorgende Familie.

Die Nachbarin, die neulich der Herzdame jenes bemerkenswerte Kompliment gemacht hatte, „Du siehst im Alter immer besser aus“, traf ich später im Treppenhaus, als ich doch einmal kurz draußen und wenigstens zum Müll runter war, fiebrig, zerschlagen, ungeduscht und insgesamt gewiss nicht präsentabel, sie sah mich von oben bis unten an und sagte mit strahlendem Lächeln: „Du siehst aber gut aus im Frühling!“

Nicht drüber nachdenken. Nur leise freuen. Wer weiß, wie ich sonst so aussehe, wenn ich mich einigermaßen präsentabel fühle. Selbstbild/Fremdbild, daran scheitern wir alle, und zwar seriell.

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Auf dem Spielplatz unten sah ich am Sonntag die ersten Menschen in T-Shirts, Erwachsene und Kinder, Menschen im Sonnenschein und mit Tagesfreizeit. Im Laufe der Woche soll es wieder kälter werden, jede Stunde wird bis dahin maximal ausgenutzt.

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Nils Minkmar, wie immer lesenswert. Das im Text erwähnte Buch von Philippe Lançon „Der Fetzen“ gleich einmal vorgemerkt.

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Im Bild der Stadtteilfrühling, so fällt das hier aus. Man blüht aus der Versteinerung heraus, wer kennt es nicht.

Leuchtend blühende Osterglocken in einem Pflanzbottich am Straßenrand vor Häuserwand und viel Stein

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Ausdehnung in zwei Richtungen

Gesehen und gemocht: Die dreiteilige Verfilmung von Strittmatters Laden. In Kinoqualität inszeniert und ins Bild gesetzt, das war, Moment, Gernot Roll an der Kamera, und wie gut. Und Martin Benrath als Großvater, den ich in dieser Ausprägung auch gerne gehabt hätte. Meiner Großväter starben beide vor meinem Erscheinen, einmal Krieg, einmal Krebs. Das fand ich als Kind ungeheuerlich, dass ich die einfach nicht hatte, alle anderen hatten welche, zumindest fast alle. Eine Ungerechtigkeit war das, eine schlimme Sache.

Dass der eine von meinen Großvätern gefallen war, wie die Erwachsenen sagten, und dann oft noch kopfschüttelnd ergänzten, wie wenige Tage vor Kriegsende, zwei Wochen hätte er doch nur noch schaffen müssen, also wirklich, blieb für mich lange Zeit inhaltsleer. Es gab zu dem Begriff gefallen keine Assoziationen bei mir, keine Kenntnisse, nichts, ich habe mich dem spät im Leben erst angenähert. Wie ich ohnehin das seltsame Gefühl habe, mit jedem Lebensjahr mehr nicht nur weiter in der Zukunft, sondern gleichzeitig auch tiefer in der Vergangenheit anzukommen.

Der Mensch, also zumindest der geschichtlich etwas interessierte Mensch, sollte ich wohl einschränken, dehnt sich im Alter in zwei Zeitrichtungen aus, das war mir lange nicht klar. Es wird mir aber immer deutlicher, und die Spanne, mit der man es da dann zu tun hat, sie ist im Grunde vollkommen unfassbar. Vielleicht ist sie auch unzumutbar – für etwas so Gegenwärtiges wie das Ich.

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Draußen jetzt bei 12 Grad auch wieder um Blöcke kurvende Cabrio-Fahrer, die so gucken, als hätten sie den ganzen Frühling selbst bezahlt. Als sei das komplett ihre privatfinanzierte Veranstaltung und man würde da als Gast bestenfalls kurz und gnadenhalber durch die Szenerie gehen dürfen. Dabei sind sie in vielen Fällen schon deutlich zu alt, diese Fahrer, um einen ganzen Frühling allein zu verbrauchen. Man sieht es ihnen an, sie übernehmen sich schwer.

Und wenn man einmal kurz hochsieht, es wird nun auch auf den Balkonen ringsum geräumt, gefegt, geschrubbt und umgetopft. Ein Stadtteil in Vorbereitung und Frischluftbereitschaft. „Der Winter gibt nicht auf“, schreiben die Zeitungen mahnend.

Aber wer würde das glauben wollen.

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