Gelesen – Bram Stoker: Dracula

Deutsch von Stasi Kull. Auf dem Handy gelesen, daher kein Bild dazu, aber Bilder hat bei der Geschichte ohnehin jeder im Kopf, man kennt das. Ich kannte den Roman tatsächlich bisher nicht, wobei das Nichtkennen in diesem Fall etwas seltsam ausfällt, weil man natürlich etliche Versatzstücke kennen muss, das geht gar nicht anders. Aus Filmen, aus anderen, stark angelehnten Geschichten, aus Comics, Kinderbüchern usw., Dracula ist überall. Man weiß das mit dem Spiegelbild, mit dem Knoblauch, mit den Wölfen, mit den Karpaten und immer so weiter, man weiß ziemlich viel.

Ich habe nicht recherchiert, ob Bram Stoker die Methode als erster Bestseller-Autor bekannt gemacht hat, eine Romanhandlung komplett nur aus Tagebuchaufzeichnungen, Zeitungsausschnitten, Briefen, Telegrammen etc., aufzubauen, um der Leserschaft so den Eindruck zu vermitteln, die Handlung sei wirklicher als eine nur auf die gewöhnliche Art erzählte. Man kann sich jedenfalls mit etwas Phantasie vorstellen, wie gewaltig dieser Trick auf das damalige Publikum gewirkt haben muss. Das Buch hat dabei deutliche Schwächen, es wird vor allem nach hinten immer langweiliger, die besten Szenen werden alle weiter vorne verbraten, etwa die Landung Draculas in England, die macht bei der Lektüre dann doch Spaß. Der Tonfall der Briefe und Tagebücher der Hauptfiguren unterscheidet sich nicht, alle reden gleich, alles trieft vor Edelmut und Empfindsamkeit, das ist aus heutiger Sicht kaum zu ertragen. Wenn man die Stellen streichen würde, in denen sich die Figuren gegenseitig versichern, wie großartig sie sind, das Buch wäre erheblich dünner. Die Frauen sind selbstverständlich schwach und dürfen nur redselig kommunizieren, nicht aber handeln. Das Personal ist dumm, trunksüchtig und wird eigentlich nicht einmal als menschlich wahrgenommen, das ist nur Beiwerk und Ausstattung, menschliche Dreingaben. Da waren andere Autoren zu der Zeit in ihrem Weltbild doch schon ein wenig weiter.

Die sexuellen Anspielungen waren erheblich deutlicher, als ich es erwartet hatte, da weiß man dann vermutlich auch ein Argument mehr, warum das Buch so ein Erfolg war. Ich wusste z.B. auch nicht, dass eine der Opferdamen Draculas Blut trinken musste, wobei er ihren Kopf gewaltsam an seinen Körper und an eine aufgeschlitzte Ader drückte, so dass sie „schlucken oder ersticken“ musste, das hat sich als Bild erstaunlicherweise gar nicht so durchgesetzt, nanu.

Nun ja. Kann man mal gelesen haben. Die erste Hälfte reicht aber auch, danach kommt dann nichts mehr, was wirklich interessiert. Sie kriegen ihn selbstverständlich irgendwann nach einer schier endlosen Reise, das aber vollkommen unspektakulär, er zerfällt zu Staub, so wie das E-Book nach dem Löschen. Oder so.

Nach dem letzten Satz habe ich das Licht ausgeknipst und das Fenster aufgemacht, wo genau in dem Moment eine Fledermaus vor dem Mond vorbeiflog. Und das war dann doch recht gelungen, fand ich.

3 Kommentare

  1. Vor ein paar Jahren hatte ich mal den Original-„Frankenstein“ mit im Urlaub und habe ihn an einem Regen- und Gewittertag auf Bornholm in einem Rutsch durchgelesen – steckt mehr drin als Gruselklischee!
    Den Original-Dracula kenne ich auch noch nicht

  2. Bei mir ist es schon sehr lange her, dass ich DRACULA gelesen habe; aber langweilig kann mir auch zum Ende hin nicht geworden sein, denn auf Jahre hinaus hatte ich immer dieses eine Zitat im Kopf, dass ja erst ziemlich am Ende kommt: „There was one great tomb more lordly than all the rest; huge it was, and nobly proportioned. On it was but one word, DRACULA.“ Kriege davon heute noch Gänsehaut.

    Aber ich bin auch ein „sucker“ für Vampirgeschichten, mag insbesondere Kim Newmans ANNO DRACULA. Aber vielleicht bin ich auch nur seltsam.

  3. Ich empfehle sehr anschließend Nosferatu zu schauen, ja, auch der ist lang und nicht jeder mag Stummfilm. Aber der Effekt der Musik aufs Nervensystem nach 4 Stunden ist…. Vorhanden.

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