Gelesen: Rolf Lappert – Über den Winter

Wie einige vielleicht gemerkt haben, ist Ende Februars gar kein”Gelesen, gesehen, gehört” erschienen, ich habe es einfach nicht geschafft. Zunächst dachte ich, das macht ja nichts, dann erscheint der Kleckerkram aus dem ohnehin mickrigen Februar eben Ende März. Aber ich merke, das wird mir doch zu lang. Also mache ich es ganz anders, ich bin ja ein Flexibelchen ersten Grades, jedenfalls wenn es um meine Bloginhalte geht. Ich streue hier jetzt einfach die Bücher, Songs, Filme (als ob ich je welche gucken würde) etc. bröckchenweise ein, bis es endlich April wird, an dessen Ende dann wieder die reguläre Liste erscheint. So der Plan, wobei mir Pläne bezüglich noch zu verfertigender Artikel letztendlich herzlich egal sind, aber was soll’s.

Rolf Lappert also, von dem ich bisher vermutlich noch nichts gelesen habe. Ein Mann um die Fünfzig kehrt in diesem Roman nach langem Auslandsaufenthalt zur Beerdigung einer Schwester in die Hamburger Heimat zurück und fällt während dieses Besuchs aus seinem Beruf, vielleicht fällt der Beruf auch einfach von ihm ab, das weiß man nicht genau. Der Mann ist oder war Künstler und verliert den Sinn dieses Brotjobs einfach aus den Augen, die Lust ist weg, das Ziel, die Neigung, überhaupt weiß er nicht recht weiter im Leben, was soll ich sagen, das sprach mich an. Wenn man selbst gerade ein Mann um die Fünfzig ist, erkennt man die gemeinte Sollbruchstelle. Einerseits sein Atelier in New York und seine Projektarbeit an südlichen Küsten, andererseits die ärmliche Verwandtschaft im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg, auf die er sich zögerlich und voller Abwehr doch wieder einlässt, bei denen er dann sogar wieder einzieht. Zwischendurch wird zur Erklärung der Lage aus dem Krisen- ein Familienroman, und das ist nicht die schlechteste Wendung des Buchs.

Das alles passiert in wenigen Tagen und ist enorm detailgenau beschrieben, das hat einige Rezensenten gestört. Und tatsächlich ist es etwas befremdlich, was da alles ganz genau beschrieben wird, es findet sich kein Pullover, kein Anzug, kein Schal, der nicht irgendeine Farbe und Textur hat, keine Nebenfigur, die nicht vom Scheitel bis zur Sohle vorgestellt wird, kein Hotelzimmer ohne detailliertes Tapetenmuster usw. Manchmal kann man Details auch seltsam finden, wenn etwa jemand auf die Toilette geht, dann kann ich mir schon alleine vorstellen, dass er danach auch spült, ich muss es wirklich nicht zwingend lesen. Andererseits steht dieses so dermaßen en detail geschilderte Wilhelmsburg dafür auch außerordentlich plastisch vor einem. Ich habe das Buch dann doch gerne durchgelesen und mochte auch das Ende, das wiederum einige Rezensenten ganz furchtbar fanden. Ich werde es hier nicht verraten, aber zurück in seinen Beruf findet der Mann nicht, so viel wird nicht überraschen, ein Krisenroman eben. Im ganzen Buch ist es sehr, sehr kalt, es ist ein Winterbuch par excelllence, die Alster friert sogar zu, es fällt Schnee, es weht ein eisiger Wind durch die Stadt, man möchte mit Handschuhen lesen. Oder auf Usedom, wo es auch gerade so kalt war, meine Güte,war es da kalt.

Entweder man liest den Roman also noch schnell in den nächsten drei Tagen durch, bevor der Frühling uns überrollt, oder man merkt es vor für den nächsten Januar, das Buch wäre im Warmen wirklich einigermaßen verfehlt. Ein gutes Buch für Hamburger und Wilhelmsburger Lokalpatrioten, auch für angezählte Fünfzigjährige, für unwillige Künstler und für Menschen mit schwierigen Familien, das sollen ja ein paar mehr sein. Ein Pferd kommt auch vor, Tierfreunde dürfen sich daher ebenfalls angesprochen fühlen. Auch wenn das Pferd nicht viel macht, außer in einem behelfsmäßigen Stall zu stehen. Es ist immerhin ein ziemlich typisches Großstadtpferd. Etwas verloren, etwas fremd, es ist ein Großstadtpferd wie Du und ich.

Doch, ich mochte das Buch.

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