Beim Herumschieben der Möbel

Mir geht es mit dem Blog fast schon wie Isa, was angesichts unserer Projektpartnerschaft kein Zufall ist, aber auch noch mit weiteren Gründen erklärt werden kann. Zum Beispiel damit, dass die Herzdame und ich zum Jahreswechsel angefangen haben, Möbel umzusortieren, ich berichtete hier. Und das hat immer noch nicht aufgehört. Es wird auch so leicht nicht aufhören. Da wir offensichtlich keine größere Wohnung finden können, die für uns auch nur halbwegs bezahlbar ist, müssen wir wohl an dieser Wohnung herumoptimieren, bis alles in der denkbar besten Weise genutzt wird. Das ist nicht so einfach.

Wir schieben also weiterhin Sachen durch die Gegend. Wir überlegen, was wo wie hineinpasst, was man nicht mehr braucht, was man wohin auslagern kann, was in welcher Farbe besser oder sogar größer aussieht, wie die Wohnung besser genutzt werden kann. Das ist ein ungeheuer ergiebiges Thema, damit kann man etliche Tage und Abende verbringen und nebenbei noch etwas über Mathematik nachdenken. Ja, Mathematik.

Etwa am Beispiel unseres Wohnzimmers. In dem stehen fünf Möbelstücke. Diese fünf Möbelstücke stehen an den fünf Standorten, die im Raum überhaupt für Möbel in Frage kommen, wenn man absurde Lösungen einmal ignoriert. Wenn man fünf Möbel auf fünf Plätze verteilt, dann hat man wie viele Möglichkeiten? Das sind 5! Was jetzt keine 5 mit einem Ausrufezeichen ist, sondern “Fünf Fakultät”, die mathematische Schreibweise für die erstaunliche Lösungsvielfalt von 5x4x3x2x1. So viele Möglichkeiten gibt es nämlich tatsächlich, das sind also 120. Erstaunlich, nicht wahr? 120 Möglichkeiten? Wenn man im Wohnzimmer vor den Möbeln steht und sich umsieht, was wie wo hinpassen könnte, dann kommt man zunächst nicht auf so eine hohe Zahl. Man denkt eher an zehn Möglichkeiten, vielleicht an fünfzehn. Wenn man aber darüber nachdenkt, wird es mathematisch schnell klar. Man hat für den ersten Platz fünf Möglichkeiten, für den zweiten vier, für den dritten drei und immer so weiter und wieder von vorne, mit dem zweiten Möbel auf Platz eins. Aber wenn man nicht nachdenkt, sondern nur kurz hinfühlt, dann liegt man völlig falsch.

Wir wollen aber keine Möglichkeit auslassen, also denken wir zumindest etwas intensiver nach, wenn auch sicher nicht bis zur vollen Zahl aller Möglichkeiten. Am Grundproblem, dass es nur ein Kinderzimmer gibt, ändert sich ohnehin nichts, da ist nichts zu machen. Aber sonst – wir spielen jetzt Möbelschach auf der vollen Grundfläche. Verloren hat dabei, wer keinen Platz für seinen Schreibtisch mehr hat.

Mein Schreibtisch steht jetzt plötzlich im Schlafzimmer, so dass ich zum ersten Mal seit Jahren etwas schreiben kann und dabei Tageslicht sehe. An meinem alten Platz im Flur, da gab es kein Fenster.Ich hatte ja nichts! Nicht einmal Licht. Aber egal, so sind in den  letzten Jahre alle Texte hier entstanden, gebloggt aus fensterloser Ecke, wer weiß, was das alles erklärt.

Jetzt steht mein Schreibtisch im Schlafzimmer, direkt neben dem Bett. Wenn ich den Arm ausstrecke, kann ich das Bett sogar fühlen, so dicht steht es. Ich kann, noch während ich mit der rechten Hand weitertippe, mit der linken Hand ganz nebenbei ertasten, wie weich das Bett ist, wie warm, wie einladend. Wenn ich mich ganz leicht mit dem Oberkörper nach links kippen lasse

[…]

Wo war ich? Es ist jetzt jedenfalls ein ausgesprochen nickerchenfreundlicher Arbeitsplatz, das kann man nicht anders sagen. Ich muss mich hier erst ein wenig eingrooven, glaube ich. Und dann gibt es auch wieder mehr Texte.

 

20 Kommentare

  1. Musste bei der Headline spontan an Rilke denken:
    Sein Arm ist vom verstellen der Möbel
    so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
    Ihm ist, als ob es tausend Wege gäbe
    und hinter tausend Wegen keine Welt.

    Der sanfte Druck geschmeidig starker Hände,
    die sich im Schreiben sonst verlieren,
    weicht einem Blick auf grenzenlose Wände
    und einer Angst vorm renovieren.

    Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
    sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
    geht durch der Glieder angespannte Stille –
    und hört im BAUHAUS auf zu sein.

  2. Ich möchte den Kommentar von Hammwanich- nein, dieses Gedicht eines Gedichts- bitte liken können. Und, Herr Buddenbohm, den Seinen gibts der Herr im Schlaf. Es besteht also durchaus Hoffnung^^

  3. Oh, herzlichen Dank an alle.
    Und weil ich mich gerade von der Arbeit ablenke, noch eins: (Das Thema ist aber auch sehr ergiebig.)

    Was poltert so spät noch übers Parkett?
    Es ist der Vater mit dem Kinderbett;
    Er hat die Schlafstatt wohl im Arm,
    Er fasst sie sicher, umfängt sie warm.

    Mein Vater, was birgst du so bang dein Gesicht? –
    Siehst, Sohn, du die vielen Wege nicht?
    Die Möglichkeiten von vier Fakultät? –
    Mein Vater, nur ein Stellplatz geht. –

    „Du liebes Bett, komm, steh doch hier!
    Einen schönen Ort versprech ich dir;
    Manch‘ tolle Träume werden hier wahr,
    ich schütz die Kinder vor jeder Gefahr.“ –

    Mein Kind, mein Kind, und hörest du nicht,
    was die Wand mir leise verspricht? –
    Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Vater;
    die Wand ist kein guter Berater. –

    „Sollte das Bett nicht besser hier stehn?
    Ich werde die Kinder hüten schön;
    Mein Feng-Shui ist ganz und gar rein,
    hier werden die Kleinen glücklich sein.“ –

    Mein Sohn, mein Sohn und hörst du nicht dort
    die Wand sie redet in einem fort! –
    Mein Vater, mein Vater ich hör‘ es nicht,
    es gibt keine Mauer die zu dir spricht. –

    „Ich will dieses Bett, diese schöne Gestalt;
    Und bist du nicht willig, so brauch’ ich Gewalt.“ —
    Mein Sohn, mein Sohn, jetzt greift sie mich an!
    Die Wand hat mir ein Leids getan! —

    Dem Vater grauset’s; er rutscht übers Parkett,
    Er hält in den Armen das ächzende Bett,
    Erreicht die Wand mit Mühe und Not;
    In seinen Armen das Bett war schrott.

  4. Das zeigt mir einmal mehr, dass ich ein LuxusProblem habe, wenn ich mich auf 300 qm absolut bezahlbarer Wohnfläche mal wieder verlaufen habe, oder wenn wohlmeinende Besücher fragen, wann denn wohl die Möbel geliefert werden. (Besücher fragen das seit acht Jahren regelmäßig.) Der einzige Haken an der Sache ist halt bloß die Lage der Behausung am Ende der Welt, nicht in einer Stadt wie Hamburg.

  5. wir haben auch gerade mal wieder das wohnzimmer umgestellt. die möglichkeiten reduzieren sich allerdings, wenn die stühle in der nähe des tisches, das sofa in der nachbarschaft des fernsehers und die bücherregale nicht gerade vor dem fenster stehen sollten, was ja ratsam wäre. dennoch haben wir inzwischen die vierte konfiguration in fünf jahren.
    die anderen drei zimmer waren derweil alle schon mal arbeitszimmer, schlafzimmer und/oder kinderzimmer. immerhin sind küche und bad gesetzt.
    auch ein eingeschränktes finanzielles budget kann ich sehr empfehlen, nicht auszudenken, wenn man sich noch neue möbel leisten könnte!

  6. „Du liebes Bett, komm, steh doch hier!“ – genial!!
    Und bei der letzten Strophe sieht man Herrn Buddenbohm fast schon direkt vor sich!

  7. Ich persönlich kann ja bei Licht gar nicht gut schlafen, darum steht mein Schreibtisch auch im Schlafzimmer. Dummerweise ist das Badezimmer direkt neben dem Schlafzimmer und ich kann bei Licht unheimlich gut Haare kämmen, Hände waschen, Handtücher auf Lauschigkeit überprüfen und ähnlich wichtige Dinge machen…also ist der Schreibtisch im Schlafzimmer auch für mich eher nicht optimal…;-)

  8. Ihr habt das schon mit online-Programmen probiert, nehme ich an…? Ich persönlich war ja überfordert mit meinem letzten Umzug: von 28qm auf 90qm, viel zu viele Möglichkeiten! – und geholfen hat mir das roomsketcher-Programm. Kann man googlen und dann kostenlos loslegen: Grundriss anlegen, aus den vorhandenen Möbeln auswählen oder neue erfinden, fleißig umstellen, umstreichen und dann gucken, wie das von der Tür aus, dem Sessel aus etc aussieht, alles virtuell. Tage habe ich damit verbracht, und es hat echt enorm gut funktioniert, ich habe danach nichts mehr korrigierend schieben müssen.
    Ach so, und ihr wollt nicht zufällig nicht auf die Insel in den Reiherstieg ziehen? Hier weiß ich eine schöne 95qm-Wohnung im Altbau, Dielenboden, vier Zimmer, Badewanne, Balkone, Kinder im Haus, ohne Makler, die zum frühen Sommer frei wird 🙂

  9. O mein Gott, was ist der Bettenkönig … ähm … Erlkönig in dieser Abwandlung genial!!!

    Abgesehen davon ein Gedanke: Gibt es Quellen, bei denen man sich Inspirationen holen kann, wie Menschen in großen Städten (London, New York) mit sehr kleinen (aber dafür umso teureren) Appartements optimal wohnen können?

  10. Pingback: Unsere Netzhighlights – Woche 9/2015 | Apfelmädchen & sadfsh

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