Demnächst in diesem Theater

Es kommt immer wieder vor, dass Kinder plötzlich irgend etwas können oder wissen, von dem man keine Ahnung hatte, dass sie es können. Man hat einfach den Punkt verpasst, obwohl man doch jeden Tag zusammen ist, obwohl man jeden Tag über alles Mögliche spricht, sich austauscht und sich gegenseitig beobachtet. Vielleicht ist man betriebsblind. Es gab vielleicht auch gar keinen sanften Übergang von einem Zustand zum anderen, es gab vielleicht eher einen Sprung, einen Effekt, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Das Kind kann plötzlich etwas und man guckt entgeistert. Das ging mir damals so, als Sohn II irgendwann eine Frage von mir im ganzen Satz beantwortete und ich mich konsterniert fragte, seit wann das Kind eigentlich anständig spricht. Hatte er nicht gestern noch “Dada” oder so etwas gesagt? Das ging mir auch so, als Sohn I plötzlich Schleifen binden konnte oder als Sohn II auf einmal bis hundert zählte. Man kann noch so eng mit jemandem zusammen sein, es gibt dennoch Überraschungen. Und manchmal fallen die Überraschungen etwas größer aus.

Sohn I, der jetzt recht zügig Lesen und Schreiben lernt, hat neulich den ersten Blogartikel hier selbst gelesen, das war eine besondere Premiere für mich. Das wird natürlich auch Folgen für mein Schreiben haben, dass er jetzt manchmal mitliest, das habe ich schon seit einer Weile erwartet, das ist eingeplant. Da saß er jetzt also tatsächlich mit dem iPad auf dem Schoß im Bett und buchstabierte sich den Artikel über Hallamati 2014 selbst zusammen, sehr angetan davon, dass der Begriff in der Überschrift von ihm selbst war. Ich lag daneben, hörte ihm zu und war mir plötzlich nicht mehr ganz sicher, was er eigentlich über das Bloggen alles wusste, über dieses Blog im Besonderen, über die Sache mit dem Internet, den sozialen Netzwerken und das alles. Ich habe darüber vermutlich nie Vorträge gehalten, nur hin und wieder nebenbei etwas erklärt, wenn gerade die Sprache darauf kam, etwa bei Instagram, darüber schrieb ich schon einmal. Aber was für ein Gesamtbild hat das Kind eigentlich im Kopf? Weiß er überhaupt, was sein Vater da treibt, und wie genau weiß er das? Und versteht er es auch richtig? Er weiß natürlich ganz gut, dass unbekannte Leserinnen ab und zu Geschenke für die Söhne schicken – aber sonst? Fällt meine Tätigkeit nicht einfach unter “Papa schreibt irgendwo irgendwas”?

Ich: “Du liest da ja gerade einen Artikel aus dem Blog…”
Sohn I: “Ja, aus den Herzdamengeschichten, wo Mama die Herzdame ist und ich Sohn I und mein Bruder Sohn II. Das ist dein Blog, weiß ich doch. Das und dieses andere, wo du das mit den Interviews mit Isa hast. Mit den ganzen Terminen, wo auch der mit den Kiebitzen war.”
Ich: “Äh, ja.”
Sohn I: “Bei dem mit den Interviews würd ich ja gerne mal mitkommen. Ihr könntet in einer Schokoladenfabrik befragen, das würde ich gut finden.”
Ich: “Oh. Ja, das ist eine durchaus einleuchtende Idee.”
Sohn I: “Aber jetzt lese ich in den Herzdamengeschichten. Das mit Hallamati.”
Ich: “Eines Tages, mein Sohn, wird das alles…”
Sohn I: “Ich lerne ja jetzt Lesen und Schreiben, da könnte ich doch auch eine Kolumne fürs Blog schreiben? Ich kann z.B. Apps für Kinder und so etwas testen und wir nennen das dann “Elektrospielzeug”? Geht das?”

Er weiß, was eine Kolumne ist? Er hat eine gute Idee parat und auch noch einen griffigen Titel? Ich habe wahrscheinlich minutenlang mit offenem Mund neben dem Kind gesessen. Aber hier oben drüber steht “Buddenbohm & Söhne”, und das ist tatsächlich viel mehr Familienbetrieb, als es vielleicht den Anschein hat. Auf die eine oder andere Art haben die Söhne hier schon bei vielen Artikeln tatkräftig geholfen, etwa bei der ganzen Reihe “Hamburg mit Kindern”. Die Theaterrezension neulich zum kleinen Störtebeker hat die Meinungen von vier Personen gebündelt, da haben wir vor dem Erscheinen des Textes alle Aspekte gemeinsam in der Familienrunde verhandelt. Und nachdem die Herzdame mit der noch ziemlich neuen Reihe “Die Herzdame backt” gerade hier als Akteurin zugestiegen ist, freue ich mich natürlich auch über einen schreibenden Sohn. Einen Sohn, versteht sich, der noch keine ganzen Artikel selbst schreiben kann, er wurde gerade erst eingeschult. Aber er kann denken und diktieren und Sätze beginnen und wir werden das gemeinsam lösen, selbstverständlich doch, das fällt ja alles unter Medienerziehung. Ich wäre darauf nicht gekommen, aber wenn er das ausdrücklich möchte – dann machen wir das möglich. Ich habe als Kind im Handwerksbetrieb meines Vaters geholfen, er hilft mir jetzt in meinem kleinen Onlinebetrieb, das passt schon.

Wir sind uns noch nicht ganz sicher, mit welchem Autorennamen er hier publizieren wird, Sohn I wird es sicherlich nicht sein. Als Sohn I wird man beschrieben, als Sohn I schreibt man nicht, das sieht er auch so. Egal, das wird sich noch finden, vermutlich wird es der Spitzname, mit dem ihn seine Freunde anreden. Demnächst gibt es also in diesem Theater die neue Kolumne “Elektrospielzeug”, Sohn I schreibt über Spielzeug 2.0, vermutlich in höchst unregelmäßigen Abständen. Er ist ein Kind, er kennt sich aus mit Spielzeug, das fällt quasi unter Grundqualifikation. Seine Meinung könnte vielleicht für andere Kinder interessant sein. Oder auch für Eltern, warum nicht.

Sohn II läuft derweil den ganzen Tag mit einem Notizbuch in der Hand herum, damit er vermerken kann, wenn ihm etwas begegnet, über das irgendwer in der Familie etwas schreiben sollte. Er zeichnet das dann einfach.

Doch, das ist schon eine spannende Sache, so ein Familienbetrieb. Auch wenn er online stattfindet.

13 Kommentare

  1. Das mit dem „online stattfinden“, man sucht ja immer nach besseren Analogien als Real Life und virtuelles Leben, und da kommt mir gerade der Gedanke mit dem Schaufenster eines kleinen Ladens oder Betriebes. Der Betrieb findet ja nicht im Schaufenster statt, nur ist das halt der Ausschnitt, den man als Betrachter erstmal mitbekommt, bevor man in den Laden reingeht, und in die Werkstatt oder die Lagerräume wird man ja auch nur selten reingelassen.
    Aber die Vorstellung vom Familienbetrieb ist eine sehr schöne, wo alle bestimmte Aufgaben haben und beim Gelingen mithelfen.

  2. Das, lieber Max Buddenbohm, sind die Artikel für die ich dieses Blog liebe. Diese einfache und selbstverständliche Logik der Handelnden, seien es die Söhne, die Herzdame oder der Papa. Ja, ich weiß das die Beziehungen häufig komplizierter sind als aufgeschrieben. Aber manchmal, da ist es eben ganz einfach. Und dann muß man es einfach tun. Danke für diese(n) Moment(e). Jetzt freu ich mich auf die neue Kolumne.

  3. Hallo J.! Tolle Idee, die du da hast! Ich freue mich schon sehr darauf, deine Artikel zu lesen. Sehr spannend! 🙂

  4. Auch wenn der hiesige Sohn den Tips von Sohn 1 (ich bin ja äussert gespannt auf den Blognamen den er sich oder Ihr alle ihm gebt) deutlich entwachsen ist: ich werde aufmerksam verfolgen und diese an die erweiterte Familie, wo dankbare Abnehmer vorhanden sind, weitergeben. Vielen Dank, Familienbetrieb Buddenbohm.

  5. Wie toll ist das denn! Glückwunsch zu den Söhnen. Irgendwann übernimmt Sohn I dann vielleicht den Blog und nennt ihn „Monstergeschichten“, wo dann Mama I und Papa I drin vorkommen.

  6. Aww! Wie toll ist das denn !!?? Ich mag die trockene Buddenbohm’sche Art ja schon sehr lange sehr gerne, aber Sohn1 setzt immer wieder noch einen drauf! Läuft!

  7. Ich lese hier schon über ein Jahr mit, wann immer ich mir die Zeit nehme um mal *meine* Blogs anzugucken, die ich regelmäßig besuchen mag, ist ihrer ganz vorne mit dabei. Und nun muss ich es einfach mal schreiben und ihnen danken. Hier zu lesen, ist wie mit einem guten Buch und einem Teller selbst gebackener Kekse im Bett zu liegen und Freizeit zu genießen! Wunderbar beschriebenes Familienleben, bei dem man sich denkt, die hätte ich gern in meinem Freundeskreis! Und gewissermaßen fühlt man sich auch ein bisschen zugehörig und erlebt so vieles mit!
    Und so freue ich mich, dass ein weiteres Familienmitglied den aktiven Part im Blog mit über nehmen mag – es kann nur gut werden!

  8. Auf die Testberichte bin ich ja schon gespannt!
    Und gerade gelinde erstaunt, dass die Söhne noch nicht mit“schreiben“, wer hätte das gedacht! Bei uns heisst es bei allen Kinderbuchbesprechungen schon länger „schreib dies“ und „schreib das“.

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