Kartoffel-Topinambur-Gulasch mit Champignons

Es wird allmählich auch in der tropischen Zone um Hamburg herum etwas deutlicher Herbst, unsere Dachgeschosswohnung ist endlich dezent abgekühlt, da kann man sich wieder etwas intensiver mit dem Kochen beschäftigen, ohne am Herd vor Hitze einzugehen. Passend dazu gibt es etliche neue Kochbücher, die ersten liegen schon in der Küche bereit. Die Versuchsreihe im Herbst könnte in diesem Jahr sogar etwas umfangreicher ausfallen.

Katharina Seiser/Meinrad Neunkirchner/Julian Riess: Einer für alles. 80 Gerichte und ein Topf. Mehr demnächst im Blog

Los geht es mit “Einer für alles – 80 Rezepte und ein Topf” vom bewährten Team Katharina Seiser & Meinrad Neunkirchner. Falls die Namen bekannt vorkommen – die hatten wir auch schon bei “Österreich vegetarisch”, aus dem hier noch längst nicht alles vertestkocht worden ist. Das war das Buch, bei dem das Essen dauernd gerollt wurde, einige werden sich erinnern.

Neunkirchner ist kein Koch für die Zwischendurchküche, das ist, wenn man Dilettant auf meinem Niveau ist, schon etwas anspruchsvoller und die Rezepte sind manchmal so beschaffen, dass man beim Durchlesen etwas genauer hinsieht, sei es wegen eines etwas komplexeren Bearbeitungsschrittes oder wegen einer seltsamen Zutat. Haselnussöl? Weinraute (nie gehört)? Ananassalbei? Taubnesseln? Ungesüßte Kokoschips? Das gibt mein Schrank tatsächlich nicht auf Anhieb alles her. Allerdings wohne ich in dieser Hinsicht bevorzugt, da ich so ziemlich jede Zutat ohne größere Umstände bekomme.

Aber das fällt bei mir dann eher unter Wochenendküche, denn da habe ich etwas mehr Zeit, über Küchenspäße nachzudenken und zwei, drei Läden mehr abzuklappern. Gelohnt hat es sich bisher tatsächlich immer, das war bei “Österreich vegetarisch” schon faszinierend.Es ist doch reizvoll, auf einem etwas höheren Niveau zu kochen, gar keine Frage. Das könnte ich mir am Wochenende auch öfter vornehmen, aber man kommt ja zu nix.

Damit ist jedenfalls klar, dass es hier nicht um 80 pappeinfache Eintopfrezepte geht, die Sammlung ist raffinierter. Es gibt vegetarische und vegane Gerichte und solche mit Fleisch und Fisch. Es wird in dem Buch gekocht, gebraten, gedämpft und geräuchert, gebacken und gratiniert, das ist überraschend und interessant. Das mit dem Räuchern probiere ich dann mal im Heimatdorf, das geht hier schlecht. Das habe ich noch nie gemacht, aber ich finde es schon spannend.

Ein paar Rezepttitel willkürlich herausgegriffen als Beispiele für den Inhalt: Kümmelsuppe mit Rote-Bete-Nockerl, Weizen-Zwiebel-Topf mit Kochsalat und Erbsen, Miesmuschelcouscous mit Basilikum, Wachtelbohnenragout mit Salbei, Navarin vom Lamm mit Gemüsen, Geräucherte Wildschweinlaibchen mit Rotkohlsalat, Schwarzbrotauflauf mit Dörrpflaumen und Lebkuchenaroma…

Die Rezepte beziehen sich also alle auf nur einen Topf und im Buch ist das ein Emailtopf aus österreichischer Handwerkstradition, der auch in den Ofen kann. Ein anderer Topf geht aber natürlich auch.

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Ich habe es mir zum Start noch einigermaßen leicht gemacht und mit einem der einfacheren Rezepte begonnen: Kartoffel-Topinambur-Gulasch mit Champignons. Eine schöne Gelegenheit, mal wieder Topinamburen zu kaufen. Oder, wie die Herzdame mit Schrecken im Blick sagte: “Was ist das dennn?!”

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Topinambur kam also in ihrer Kindheit in Nordostwestfalen nicht vor, da fremdelt Madame dann doch sichtlich. Kindern kann man übrigens gut erklären, dass Topinamburen besonders dicke Raupen sind, die man prima essen kann. Das hat allerdings Folgen für ihren späteren Appetit, wie ich gemerkt habe. Aber für etwas Spaß lasse ich die Söhne natürlich auch einmal auf eine warme Mahlzeit verzichten, versteht sich. Sie haben es hier auch nicht immer leicht.

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Man beachte im oben verlinkten Wikipedia-Artikel zu Topinambur unbedingt die anderen Bezeichnungen für das Gemüse. Jerusalem-Artischocke, ist das nicht schön? Oder Borbel? Genau so sehen sie auch tatsächlich aus, wie Borbel, das passt perfekt. Theoretisch kann man sie ungeschält zubereiten, allerdings blieben sie bei mir auch nach intensiverer Wäsche noch schmuddelig und unansehnlich wie ungepflegter Gürteltierbauch, ich habe sie dann einfach geschält.

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Wir brauchen für das Rezept und für vier Personen:

3 Zwiebeln, 2 Knoblauchzehen, ½ EL getrockneten Majoran, ½ EL Kümmel, etwas Öl, ½ EL Tomatenmark, 1 TL Paprika edelsüß, ca. 500 ml Gemüsefond, 12 kleine Kartoffeln, 12 kleine Topinamburen (ich liebe diesen Plural), zwei Handvoll Champignons, eine Handvoll frischer Kräuter.

Das sind die Originalmengen lt. Rezept, ich habe deutlich mehr Flüssigkeit gebraucht und wegen leidenschaftlicher Pilzliebe ein paar Champignons mehr genommen.

Die Zwiebeln werden geschält und gehackt, der Knoblauch ebenso. Majoran und Kümmel ebenfalls hacken. Die Zwiebeln im Topf mit dem Öl langsam (!) goldig rösten, den Knoblauch dazugeben, ebenso Kümmel, Majoran und Tomatenmark. Kurz weiter anbraten, dann Paprikapulver dazu und gleich mit Gemüsefond auffüllen.

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Das köchelt dann etwa 20 Minuten und riecht schon einmal ganz außerordentlich gut. Dann wird der Gulaschsaft püriert – und ich unterbreche kurz das Rezept für den überaus sinnigen Hinweis, dass das eine wirklich sauleckere Soße ergibt, auch für anderen Gerichte gut verwendbar. Hätte ich auch längst selbst darauf kommen können, bin ich aber nicht. Schlimm.

Zurück zum Rezept. In den pürierten Saft gibt man die Kartoffeln und die Topinamburen und lässt alles köcheln, bis das Gemüse endlich weich ist. Dann erst die Champignons dazugeben, noch ganz kurz weiterkochen lassen – fertig. Auffüllen, fotografieren, essen.

Im Gegensatz zu mir könnten Sie beim Auffüllen auch an die frischen Kräuter denken, dann wird es womöglich noch dekorativer. Ich fand das Essen hervorragend, das wird es mit Sicherheit wieder geben. Wärmend, herbstlich, wunderbar. Die Herzdame war trotz anfänglichen Misstrauens auch begeistert. Die Söhne wollten keine zerkochten Raupen essen und haben sich lieber selbst versorgt.

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Bitte sehr, das ist hier ein liberaler Haushalt, wir tolerieren Abweichler am Tisch.

Im Grunde passte das sogar sehr gut, denn so konnten die Herzdame und ich einfach alles aufessen. Mit anderen Worten, die oben angegebenen Mengen reichen nur theoretisch für vier Personen. Oder wir sind besonders verfressen, das möchte ich nicht ausschließen. Es war aber auch wirklich lecker. Machen Sie das ruhig nach, das lohnt sich. Und es ist recht einfach, obwohl es gut eine Stunde dauert, bis man es essen kann.

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17 Kommentare

  1. Das sieht ja mal wieder super aus — bitte mehr rezepte aus dem Buch; so einen Topf habe ich nämlich auch (wenn er auch von ikea ist) und koche damit sehr, sehr gern. Wird bei diesem Rezept normaler Kümmel verwendet oder (orientalischer) Kreuzkümmel? Danke!

  2. Ach, das kommt mir bekannt vor mit der Personen- bzw. Portionenangaben in Rezepten. Wenn da schon steht, dass 500 g Hühnerbrustfilet für 4 Personen reichen sollen weiss ich, dass ich lieber ca. 600 g kaufe und das dann auch für mich und meinen Mann allein reicht.

  3. Der Vergleich mit den Raupen ist sehr nett. Als Großkind einmal frug: Was ist das? und ich Sago mit „Froscheier“ betitelte, durfte ich auch die ganze Suppe alleine auslöffeln.

  4. Hallo Herr Buddenbohm,
    eben beim lesen des Rezeptes durchfuhr mich eine warme Welle durchs Herz als ich auf dem Foto die Schale sah es in der Sie ihr Gericht servieren. So eine hatte ich damals auch…dazu gehört doch untendrunter eine Tasse als Körper und ganz unten ein Teller mit Schuhen aufgemalt? Hat die Herzdame sie mit in den Haushalt gebracht?

  5. Ja, die Schüssel hat die Herzdame mit in die Ehe gebracht. Und es gab auch Teller und Tasse. Aber ich erinnere mich nicht mehr daran wie es aussah. Das ist der Rest davon.

  6. Super Herbstessen!
    Habe nach der letzten Reihe „Deutschland vegetarisch“ gekauft, das hier hat Potenzial. Nur, wo Topinambur her bekommen…

  7. da versäume ich vor lauter (koch)bücher schreiben doch fast den ungepflegten gürteltierbauch, mea culpa!

    und keine sorge: wir sind auch so verfressen und machen die rezepte dann für 2-3 (es gibt in diesem haushalt aber keine 3 …). meinrad neunkirchner kann seinen alltag (der besteht aus mehrgängigen menüs im gourmet gasthaus freyenstein) halt doch nicht leugnen. ich hab‘ mir das bei manchen rezepten beim schreiben auch gedacht, aber auf das augenmaß und die rechenkünste der künftigen leser/innen gehofft. oder auf raupen.

    danke für die warme aufnahme von „efa“ im hohen norden, das freut mich sehr! bin gespannt, was als nächstes kommt.

  8. Auch trotzdem ich das Pürieren der Soße vergaß, war diese köstlich – allen Vegetariern mit Gelüsten nach Deftigem wärmstens zu empfehlen. Zum Glück konnte man auch einen Teil des Originalrezeptes lesen, in dem geräuchertes Paprikapulver als Option vorgeschlagen wurde – hatte ich zwar nicht, aber geräuchertes Salz. Und das hat denke ich, auch noch seinen Teil zur Köstlichkeit beigetragen.
    Danke,danke! Geiberuam

  9. Mathematik macht schlau, da geht es um das Image und den Nutzen der Mathematik. Das schlechte Image begegnet mir gar nicht mehr so oft, es ist mittlerweile schon ganz cool, auch in Mathe was drauf zu haben. Cooler als in meiner Jugend auf jeden Fall, da war Mathe nur etwas für ausgemachte Freaks, wer in Mathe gut war, der machte auch den obersten Hemdknopf zu, solche Typen. Allerdings wird heute zumindest am Anfang der Schule, in den Grundschuljahren, Mathematik auch sinnvoller gelehrt als damals. Die Söhne haben z.B. gelernt, Ergebnisse zu schätzen, das ist sinnvoll und sofort anwendbar. Wenn ich weiß, wie weit ich in einer Stunde gehen kann, dann weiß ich auch, ob ich zu einem Ziel, das 30 Kilometer entfernt ist, zu Fuß gehen will oder nicht. Ich weiß also, wie lange ich für den Weg in etwa brauche – und diese Info reicht ja erst einmal. In Hamburg kann man so etwas praktischerweise in Alsterrunden rechnen, das versteht jeder. Wenn ich weiß, was eine Tafel Schokolade ungefähr kostet, habe ich eine Ahnung, ob ich für zehn Euro eine oder zwanzig Tafeln oder irgendwas dazwischen bekomme, das klappt und hilft sofort weiter. Wenn ich Quadratmeter schätzen kann, weiß ich, wieviel Rasensaat ich für den Garten kaufen muss usw. Keinem der Söhne kommt Mathe bisher völlig sinnlos vor, davon bin ich ganz angetan.
    Übrigens fiel mir neulich auf, dass heute schon Erstklässler ein recht genaues Verständnis von Prozentwerten haben, ganz anders als wir damals. Das kommt durch die Akku-Ladestandsanzeigen überall, die verstehen sie sehr gut.
    ***
    Auf dem gefrorenen Fleet vor dem Bürofenster liegen Taubenfedern, viele sogar, dazwischen blutige Reste eines Vogelkörpers und auch Knöchelchen. Welches Tier hier wohl auf dem schmutzigen Fleeteis Tauben reißt? Greifvögel in Hammerbrook, zwischen all den Büroklötzen, man kann es sich kaum vorstellen. Ratten? Möwen? Man müsste wie son Tierfilmer stundenlang aus dem Fenster sehen, die Kamera im Anschlag. Aber das fällt im Großraumbüro dann auch wieder unangenehm auf. Nix darf man, wie die Söhne sagen würden.
    ***
    Ich lese weiter im Echolot von Kempowski, eine anstrengende Lektüre, ich muss es zwischendurch etwas weglegen, weil die Inhalte kaum zu ertragen sind. Bei den Texten aus Leningrad geht es gerade auf das unvorstellbare Grauen der Belagerung zu – zwischendurch habe ich die Tagesschau gesehen, da geht es um die geplante Belagerung von Afrin. Der Mensch lernt vielleicht Mathe in der Schule, aber gesamt betrachtet lernt er gar nix.
    ***
    Endlich mal wieder Topinambur-Kartoffel-Pilz-Gulasch gekocht, ich habe vor Jahren einmal drüber geschrieben. Schmeckt super, auch im Wiederholungsfall. Ausdrückliche Empfehlung.
    ***
    Passend zum Eis überall gibt es heute Musik mit Russlandbezug. Das war damals, das waren die Achtziger und meine Güte, was fand ich die Dame schön.

    Ein paar Jahrzehnte weiter singt sie es übrigens wie folgt. Sehr interessanter Vergleich.

    Apropos Achtziger: Die Herren von Soft Cell geben ihr Abschiedskonzert. Und jetzt alle:
    “Sometimes I feel I’ve got to
    Run away I’ve got to
    Get away from the pain that you drive into the heart of me
    The love we share
    Seems to go nowhere
    And I’ve lost my light
    For I toss and turn I can’t sleep at night.”
    Lange her, nicht wahr.

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  10. Hach, danke für die gute Anregung. Gerade lese ich mich durch „Schon immer vegan“ der gleichen Autorin und finde -trotz Nicht-Veganertum – alles sehr interessant und werde die Süßkartoffel-Erdnuss-Supe als erste probieren. Heute gab es hier meine Ofensuppe. Oho, anyone interested? Übrigens besonders zeitsparend, da alles eingeschichtet zwei Stunden vor sich hinkoch-brutzelt und man sonstwas tun kann. Aber solch ein Töpflein mit Raupen, das passt noch rein…Sehen die Bananen nicht auch beinahe aus wie diese Raupen??

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