Man kommt herum

Für die meisten Menschen wurde das Fahren durch Navigationsgeräte einfacher, nehme ich an. Für mich gilt das allerdings nicht.

Bevor es Navis gab, hat die Herzdame mich vom Beifahrersitz aus gelenkt, das war nicht immer ganz einfach. Sie hat eine ausgeprägte Links-Rechts-Schwäche und ich keinen Orientierungssinn, das störte dabei schon manchmal. Dann haben wir ein Navi gekauft, und zwar eines vom billigen Ende des Spektrums. Es war ein schlechtes Navi, vermutlich war es sogar das weltschlechteste Navi. Es hatte keine Links-Rechts-Schwäche, konnte aber sonst nichts, vor allem brauchte es eine Stunde, bis es überhaupt mal anging. Da hatte man ordentlich Vorsprung, um sich zu verfahren.

Dann wurde uns ein viel besseres Gerät vererbt. Das war toll, das Ding ging wesentlich schneller an und wusste tatsächlich immer Rat. Allerdings sagte es andere Wege an als das alte Navi, was die Herzdame vor die Grundsatzfrage stellte, welches Navi nun richtig lag. Im Zuge dieser Überlegungen kam sie darauf, noch eine Navi-App auf ihr Handy zu laden – und die kommt zu noch ganz anderen Schlüssen.

Wenn ich jetzt an spannenden Kreuzungen stehe, sagen mir drei Navis Möglichkeiten an. Die Herzdame blickt auf die Geräte und versucht, sich eine eigene Meinung zu bilden, denn am Ende sollte immer der Mensch entscheiden, das ist bei Technik bekanntlich ganz wichtig. Wenn ich vorsichtig frage, wo ich abbiegen soll, weil hinter mir zehn Autos hupen, sagt sie: „Ich bin noch nicht sicher.“ Dann biege ich irgendwo ab, weil man nicht im Weg stehenbleiben kann und weil es irgendeinem Navi schon recht sein wird.

Wir fahren durch nie gesehene Gegenden, philosophieren über technische Hilfsdienste und kommen viel und sehr weit herum. Denn so ist das ja mit jedem technischem Vorsprung: man kommt immer weiter. Ob man da nun hinwollte oder nicht.

Dieser Text erschien als Kolumne in den Lübecker Nachrichten und in der Ostsee-Zeitung.

11 Kommentare

  1. Ist doch schön, in Star Trek’sche „unbekannte Galaxien“ vorzustoßen. Solange man immer wieder nach Hause findet. Und das scheint bislang selbst den Buddenbohms immer wieder gelungen zu sein.
    Glücklicherweise werden die Jungs älter und größer. Vielleicht stellt sich einer der beiden als lebendes Navi heraus.
    Ein „Mama, Du hättest hier abbiegen müssen“ wie bei meinem Kleinen im Hamburger Großstadtverkehr ist immer hilfreich.

  2. Ohne Navi bin ich als Erdkundelegastheniker aufgeschmissen. Mein erstes Mavi überreichte mir mein Mann mit den Worten, es ist alles eingerichtet, Du musst es nur anmachen, hier, da. Leider hatte er versäumt, mir mitzuteilen, dass ich das Ziel noch hätte eingeben müssen. So fuhr ich, wie von ihm eingetrichtert, immer schön in Richtung des dicken blauen Pfeils. Lange! Aber die Gegenden waren wirklich schön!

  3. Man kann meiner Meinung nach auf keinen Fall verschiedene Navigationshilfen mischen. Also nach einem Navi fahren oder den Weg kennen oder der Beifahrer kennt den Weg.
    Der Weg mag nicht immer der beste sein aber man kommt an.

  4. Nachdem mich ein Navi mal in eine Feldwegsackgasse bei Henstedt-Ulzburg gelotst hat, fahren wir nur noch ohne. Navis sind was für gutgläubige Menschen, wir verlassen uns da lieber auf Routenplaner oder Landkarten, die vor der Fahrt ausgiebig studiert werden, und kleine Zettel mit Links- und Rechtsabbiegevermerken, die in der Mittelkonsole für den Notfall bereit liegen. Die brauchen wir meistens genauso wenig wie Einkaufszettel, die man zuhause liegen lässt, das Gesehene und Geschriebene prägt sich ins Gedächtnis ein. Mein Gehirn und meine Augen sind immer noch der beste Navi!

  5. Nachdem wir mehrmal genau dann vom Navi verlassen wurden, als wir es wirklich benötigten, habe ich zur Sicherheit noch einen ausgedruckten Routenplaner im Auto. Papier ist eben auch mit Autofahrern geduldig.

  6. Das ist aber noch sehr, sehr steigerungsfähig. Dieses Video habe ich mal in einer Kunstausstellung aufgenommen.
    https://app.box.com/s/as484zzwgnzsqnynpz7i
    Viel Spaß beim Verfahren! 🙂
    Diese mit der stundenlangen Anschaltzeit waren bei mir von Pe*arl oder Me*dion, und dann sagten sie des öfteren noch: „GPS-Signal verloren“ – und das mit männlicher Singsangstimme.

  7. Also wenn man die Kommentare und Geschichten so liest, könnte man meinen, ihr seid alle Männer („Handbuch? Ich les‘ doch kein Handbuch!“) oder typische IT-Flüsterer („Jede Software lässt sich intuitiv steuern!“). 🙂

    Ich bin mit Handy-Navi (Navigon-App) 2 Wochen durch die Bretagne gerutscht. Ohne jede Probleme. OK, die Straßen sahen manchmal eher nach Feldweg aus, aber ich wusste immer wo ich war. Der gute alte, gelbe Michelin-Atlas war da auch nicht besser.

    Kleiner Tipp: wenn es einem Spanisch vorkommt, kann man sich den Rest der Route in der Übersicht anzeigen lassen, wo denn die weitere Reise hingehen soll (bitte vorher anhalten). Und ja, Schilder dürfen gelesen werden.

    Und noch mal ja, wer bitte, benutzt den mehr als ein Navi gleichzeitig (außer man braucht Material für sein Blog)?

    Außerdem @ kleineundgrosseleute, dass ihr in Italien nur die deutsche Karte im Navi hattet, ist ja oooch nich‘ der Fehler des Navis. 😛

  8. Sehr schöner Text! Wir sind auch mal in der Bretagne mit einem französischen Navi zum Strand gefahren und wurden dabei durch die engsten Nebenstraßen und die absurdesten Feld-, Wiesen- und Waldwege gelotst. Ich bilde mir heute noch ein, dass die Navi-Frau ein Lachen unterdrückt hat, als sie uns am Ankunftsort freundlich mitteilte: „Sie haben Ihr Ziel erreicht!“

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