Kinderfrei

Ich war mit der Herzdame aus. Und weil wir ein kinderfreies Wochenende hatten, waren wir in einem besseren Restaurant. Wir dachten, ohne Kinder passt das. Kerzenlicht, Klavierspieler, so in der Richtung. Das war ungewohnt, als wir uns an den Tisch gesetzt hatten, mussten wir nicht pausenlos irgendwem Anweisungen geben, um schlimmste Desaster zu verhindern. Wir mussten keine seltsamen Fragen nach Dinosaurierarten oder Piratenwaffen beantworten, wir mussten nicht dauernd aufpassen, dass die Gläser nicht umkippen und wir mussten nicht darauf achten, was gerade von wem in die Kerze gehalten wird. Das war ganz entspannend. Und verblüffend langweilig. Wir haben uns angesehen, Händchen gehalten und Konversation gemacht, man ist so etwas als Elternpaar gar nicht mehr gewohnt.

Dann kam die Vorspeise, ein winziges Etwas, ein verquirlter Geschmackswirbel. Sehr hübsch. Dann kam der zweite Gang, ein Süppchen. Das Süppchen füllte zwei Löffelchen, dann war es weg. Dritter Gang, ein Hauch von Fleisch an einem Gemüsegel, ja, da stand wirklich Gel auf der Karte. Und zum Nachtisch ein kleiner Joghurtscherz. Das war wohlschmeckend und bestens zubereitet, keine Frage. Ehre, wem Ehre gebührt, der Koch konnte was.

Aber wir haben doch gemerkt, was man eigentlich machen muss, wenn man ohne Kinder ausgeht. Man ist dann völlig falsch in einem feinen Restaurant. Man sollte lieber auf seine Vorbildfunktion pfeifen, in den nächsten Imbiss gehen und alles in rauen Mengen verdrücken, was man den Kindern sonst dauernd als ungesund verbietet. Man sollte beim Essen die ganze Zeit lesen, die Ellenbogen auf dem Tisch haben und wild mit dem Stuhl kippeln. Das wäre erst der wahre Genuss der Freiheit. Einfach hemmungslos sündigen. Und danach natürlich: Schokolade satt. Gleich tafelweise. Ein Traum.

Na, nächstes Mal.

 Dieser Text erschien als Kolumne in den Lübecker Nachrichten und in der Ostsee-Zeitung

11 Kommentare

  1. Hahaha! Ich habe erst nach dem siebten Lesen aus dem Gemüs-Egel ein Gemüse-Gel machen können. Sehr fatales Wort. Sowas könnte ich nicht essen.

  2. Ja, das macht erst wirklich Spaß. Gab’s bei uns gestern Abend, Curry- wurst und Schaschlick von Wurst-Schorsch am Pferdemarkt und danach Krokantschokoladeneier und Kekse satt….mhhh.
    Aber nun könnten auch gern mal ein paar Enkelkinder kommen, damit wir wieder vernünftig werden.

  3. Genau, genau! Wir gehen immer in Ruhe Kuchen essen.

    Und die Paare, die ohne miteinander zu reden am Tisch sitzen, sind sicher Eltern und genießen einfach die himmlische Ruhe 😉

  4. Da waren Sie beide aber lange aus: den Joghurtscherz bekamen Sie sogar noch am Nachttisch serviert. 🙂
    SCNR

  5. So geschehen beim letzten Pärchenabend hier. Das Gefühl, daß irgendetwas fehlt, bis klar wurde: Es wurde noch ncihts umgeworfen, das Servieren der Mahlzeit wurde nicht mit einem „Ich muss JETZT Pipi“ kommentiert, sehr ungewohnt.
    Hier ist an kinderfreien Abenden übrigens Lieferpizza das Highlight. Vor dem Fernseher! Aus dem Karton!

  6. Tja, ist die Zeit knapp bemessen, ist es eben besonders wichtig, das Beste draus zu machen …
    Schreibste über den nächsten kinderfreien Abend auch was??? Ich will unbedingt wissen, ob ihr das hinkriegt, euch nicht mit Ketchup, Mayo, Schoko und Limo vollzukleckern. Zieht euch was Cooles und Legeres an. Praktisch sind Shirts mit trendigem Front-Print. Da verschwindet jeder Fleck wie durch Zauberei im farbenfrohen Motiv 😉
    Viel Spaß schon jetzt. Den werdet ihr haben und satt werdet ihr auch in ’ner guten Frittenbude. Besser, euch ist hinterher schlecht, als dass ihr hungrig den Abend beendet 😉
    Übrigens: So ein „schickes“ Essen hatten wir auch mal. Ambiente war ok. Kerzenschein und Trallala. Dazu riesige Teller, auf denen es mehr als „übersichtlich“ aussah. Ein filigranes Minzblättchen, ein appetitliches Cherry-Tomätchen, 3 Mini-Mini-Obermini-Gürkchen, ein Kleckschen Sößchen, ein Steakchen – Größe XXS. Vorspeischen, Nachtischchen, Weinchen, Aperitifchen und ’ne Rechnung, auf’m Silbertablettchen, aber HALLO!!!
    Klar, über den Tellerrand sollte man ab und an schauen. Aber gezwungenermaßen?!?! Quasi nur deshalb, weil du bei manchen edlen Portionen nix als den gottverdammten Tellerrand siehst??? – Riesig, breit, leicht geschwungen, geblümt, vergoldet – schick ja, aber Tellerrand eben! Irgendwo gaaaaanz unten, da is et dann, datt Leckerli! Och nöoo – datt muss doch nich, oder???
    VOR diesem einschneidenden kulinarischen Erlebnis hätte ich es kaum für möglich gehalten, nach drei Gängen hungrig ein Nobelrestaurant zu verlassen. Wir sind an bewusstem Abend noch im Stammimbiss ums Eck gelandet. Dieser sehr leckere „vierte“ Gang war denn auch gleich der Satt- und Spaßmacher des Abends. 😉

  7. Danke dafür, ich hab sehr gelacht. Wir hatten am Wochenende ebenfalls Kinderfrei. Offenbar intuitiv schlau: Wir sind mit Bier und Chipstüte ins Kino gegangen und dann mit dem Rad nach Hause. Irre. Wie früher!

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