In Rust hat’s geregnet

Ich saß am Sonntag im Heimatdorf der Herzdame im Garten unter einem Sonnenschirm und verdaute größere Mengen Himbeertorte.  Das war eine völlig angemessene Tätigkeit für einen weiteren unsinnig heißen Nachmittag, fand ich. Die Herzdame und die Söhne zogen durch die Nachbargärten, ich hörte ihre Stimmen noch von weit her durch die Büsche. Fernes Planschen, fernes Lachen. Die Uroma der Söhne setzte sich zu mir. Gespräche mit ihr sind manchmal etwas schwierig, wir leben in recht verschiedenen Welten. Vielleicht auch in anderen Galaxien. Aber erst einmal sagte sie gar nichts. Sie sah in den strahlend blauen Himmel über Nordostwestfalen, an dem nur an den äußersten Rändern ganz vereinzelte Wolkenfetzen zu sehen waren, die eine eher dekorative als meteorologische Bedeutung hatten. Sie seufzte nach einer Weile und erklärte dann, was sie gerade beschäftigte.

 

Uroma: “In Rust hat’s ja geregnet.”

Ich: “Was?”

Uroma: “In Rust hat’s ja geregnet, sag ich.”

Ich: “Mir fällt zu Rust nur Kremlflieger ein.”

Uroma: “Was?”

Ich: “Egal.”

Uroma: “Da hat’s jedenfalls geregnet.”

Ich: “Wo auch immer.”

Uroma: “Na, in Rust.”

Ich: “Kenn ich nicht.”

Uroma: “Das kennst du nicht?! Na, wo doch die Sendung war!”

Ich: “Was?”

Uroma: “Haste die nicht gesehen?”

Ich: “Was?”

Uroma: “Die Sendung. Die Sendung mit dem Stefan.”

Ich: “Raab?”

Uroma: “Was?”

Ich: “Egal.”

Uroma: “Die Sendung aus Rust. Mit dem Stefan. Da hat’s geregnet.”

Ich: “Welche Sendung auch immer.”

Uroma: “Die Sendung mit der Musik.”

Ich: “Was?”

Uroma: “Der macht doch die Musik.”

Ich: “In Rust, ja.”

Uroma: “Ah guck, haste doch gesehen, was?”

Ich: “Nein.”

Uroma: “Klang gerade so. Das ist nicht schön, wenn das dann so regnet. Bei der Musik.”

Ich: “Nein.”

Uroma: “Was nein?”

Ich: “Das ist nicht schön. Wenn es so regnet. Bei der Musik.”

Uroma: “Ja, finde ich ja auch.”

Ich: “Hier ist aber schönes Wetter.”

Uroma: “Ja. Aber da hat’s geregnet. Beim Stefan.”

Ich: “Wer auch immer das ist.”

Uroma: “Na, der Stefan Mross doch. Der aus der Sendung.”

Ich: “Was?”

Uroma: “Kennste nicht?”

Ich: “Ich kenne den nicht. Ich guck kein Fernsehen.”

Uroma: “WAS?”

 

Es ist wirklich manchmal etwas schwierig mit ihr, wir haben einfach nicht viel gemeinsam. Aber wenn es so regnet bei der Musik, das stelle ich mir jedenfalls auch nicht schön vor. Da waren wir uns tatsächlich völlig einig. Es ist doch immer schön, eine gemeinsame Basis zu haben.

 

9 Kommentare

  1. Ich dachte sofort, es ginge um die hübsche alte Stadt am Neusiedler See; die wars dann aber doch nicht.
    Den Rest hab ich selber googeln müssen. Festgestellt, ich habe nix versäumt.

  2. Naja, den Mross könnte man aber kennen, man muß den ja nicht mögen…aber mit Allgemeinwissen hätts auch besser mit der Oma geklappt! 😉

  3. Ja, danke! Das war eine gelungene Einstimmung
    auf die Familienfeier, die morgen hierzulande stattfindet. Mit Uromas (ü90) und so…
    Genial: diese Art Gespräche auch mal geschrieben zu sehen.
    sommerliche Grüße!

  4. Ich stoßebei sehr vielen Menschen schon an Grenzen, wenn ich verrate, dass wir gar keine Fernseher haben. Zur Zeit bin ich in einer Reha-Klinik und es war beim Einchecken etwas kompliziert, der Dame an der Rezeption klarzumachen, dass ich WIRKLICH den Fernseher nicht anmelden möchte 🙂

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