Kirschnüsse, anschwellender Sommer

Vorweg herzlichen Dank für die überaus freundliche Zusendung von Siri Hustvedts „Leben, Denken, Schauen“, kaum dass es auf dem Wunschzettel war. Es ist ein wahrer Büchersegen gerade. Ich bin hellbegeistert und enorm vorfreudig, der Stoff wird wohl bis in den Sommerurlaub reichen, um gedanklich ein wenig nach vorne zu springen.

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Die Frühlingsabendverteilung der Familienmitglieder erfolgte an einem der letzten warmen, sonnigen Tage hamburgisch flussbezogen, fiel mir nebenbei auf: Zwei von uns waren an verschiedenen Abschnitten der Elbe, einer war an der Bille und einer an der Alster. Da habe ich gleich Heidi Kabel oder Jan Fedder im Ohr: An de Alster, an de Elbe, an de Bill, dor kann jeeder eener moken, wat he will.

Artur Schulenburg hat das Lied 1940 geschrieben, es lässt sich online erstaunlich wenig über ihn finden. Ich habe nach unbefriedigender Google-Suche ein AI-Tool nach ihm gefragt, und da kamen auch prompt Lebenslauf, Werke und Quellenangaben dazu, aber in den dort verlinkten Quellen stand gar nicht drin, was da gelistet und getextet war. Hm.

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Ansonsten waren wir selbstverständlich im Garten.

An einigen der Kirschbäume sind die Früchte auf einmal haselnussgroß. Es ist wieder unerfindlich, in welch kurzer Zeit dies geschehen sein muss. Eben waren da noch weiße Blüten, gerade vom Wind verweht, und es muss über Nacht geschehen sein, buchstäblich über Nacht, dass daraus maigrüne Kugeln wurden. Wie isses nun bloß möglich! Immer wieder staunend vor diesen Bäumen und Büschen stehen, in jedem Jahr. Seit fünf Jahren schon oder sechs mittlerweile, ich müsste nachsehen.

In welcher Eile jedenfalls diese Operation Frucht durchgezogen wird. Wie kurz das Wenige an Saison ist, wie drängend, stürmend und ungeduldig das alles angelegt ist. Von Mai bis September ist alles eine schwungvolle Bewegung, ein schnelles Anschwellen, und die statischen Postkartenbilder von der Natur, die wir im Kopf haben, wenn wir an den Frühling, den Sommer denken, sie sind falsch. Sie werden dem Elan und der Betriebsamkeit der Pflanzen gar nicht gerecht. Nur der Winter hat seine statischen Momente.

Die Stachelbeeren sind wie immer weit vor allen anderen Früchten und sehen schon nach baldiger Ernte aus. Was bei ihnen aber noch wochenlang täuschen wird, das kenne ich. Steinhart und eine Säure, dass es einem das Gesicht entgleisen lässt. Es wird auch ein Johannisbeerenjahr, so viel steht bereits fest, und die Heidelbeeren wollen auch mehr bieten als im Vorjahr.

Kürbis, Zucchini, Pak Choi, Tomaten und Kohlrabi haben wir in die Beete ausgepflanzt. Die Zuckererbsen kommen weiter nur zögerlich, vorsichtig und vermutlich frostverschreckt, die Karotten zeigen mit deutlicher Verspätung ihre niedlichen grünen Fähnchen, schon unkrautüberwuchert, da muss man mal ran.

Die Kartoffeln dagegen geben sich unverwüstlich und dienstbeflissen wie immer. Sie kommen mit großer Selbstverständlichkeit und auch an Stellen, an denen wir nie welche gesetzt haben. Sie wachsen aus den Küchenresten im Kompost und auch aus verlorenen Abfällen am Gartenwegrand, kurz vor der Biotonne haben wir sie irgendwann auf dem Weg aus der Schüssel verloren. Wir lassen sie überall zu, wo sie nur wachsen wollen.

Die Robustheit der Kartoffeln ist so beeindruckend wie beim Löwenzahn, ein einziges pflanzliches Dennoch. Platz da, hier wachse ich. Ich mache hier mein Ding, und das Ding sind am Ende dann Knollen, die wieder ihr Ding machen werden, ohne große Ansprüche zu stellen. Eine sympathische Pflanze, zuverlässig und pflegeleicht.

Auch etwas weiteren Lavendel haben wir neben die Laube gepflanzt, und noch einige Erdbeeren nachgesetzt. Man hat nie genug Lavendel und Erdbeeren im Garten.

Es war gar nicht viel Arbeit, das alles. Es war im Grunde nur ein wenig Spaß an freien Tagen.

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In den Zeiten der permanenten Updates

Am Abend wieder in der Kafka-Biografie weitergelesen. Er geht da in einem Brief an Felice Bauer gerade überraschend vom Sie zum Du über, das war damals ein einigermaßen spektakulärer und kühner Schritt. Und er wartet dann in äußerster Spannung, ob sie das Du im Antwortbrief auch erwidern wird. Keineswegs kann er sich sicher sein und man muss es sich als nervenzerfetzende Spannung vorstellen, als kaum auszuhalten und auch schlafraubend. Es zerlegt Kafka förmlich. Wobei er auch nicht eben schwer zu zerlegen war, schon klar.

Ich bin jedenfalls alt genug, diese Situation noch gut verstehen zu können. Ich habe es noch jahrelang erlebt, dieses tagelange, vielleicht sogar wochenlange Warten auf eine Briefantwort einer Angebeteten. Und ich kenne auch noch, wie Kafka, wie alle Briefschreiberinnen der vergangenen Jahrhunderte, die eher irrationale Überlegung, ob nicht doch ein Brief verloren gegangen sein könnte. Und was hätte nicht alles in diesem verschollenen Brief stehen können! Fast unangenehm deutlich erinnere ich mich. Später kam dann das Warten auf Briefe von anderen dazu, von Behörden etc., und das war manchmal leider auch spannend, meist aber ohne jede Vorfreude.

Und ja, dieses Warten war anstrengend. Überhaupt, wieviel Zeit wir damals mit dem Warten verbracht haben, immer wieder dieses endlose Warten. Warten auf Briefe und Postkarten, auf irgendeinen Besuch oder auf einen rettenden Anruf am Abend. Man könnte seitenlang nur über das Sitzen vor dem Telefon schreiben und über den unvorstellbaren Schreck, wenn es dann tatsächlich klingelte, diese dramatische Herzbeschleunigung. In der Serie Friends gab es dazu einmal eine gute Szene, einigen wird sie jetzt spontan einfallen.

Fast unvorstellbar ist das alles schon geworden, in unseren Zeiten der permanenten Updates zu allem. Und dies schreibe ich, gerade fällt es mir auf, mit einem aktuellen Paketzustellungsverlauf im Browser. Es sind noch vier Zustellungsstopps. Ich könnte aktualisierten, dann sind es vielleicht nur noch drei.

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Phänologischer Kalender der großen Stadt: Es gab den ersten frühsommerlichen Abend mit Outdoor-Party um die Ecke, mit besoffenem Johlen, hysterischem Lachen, lauter Musik, mitgesungenen Krachern etc., bis hin zu etwas, das wohl ein erstaunlich klangstarkes Wettrülpsen junger Männer war. Diese Jahreszeit wieder.

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Man macht was mit

Ich habe diesen aktuellen Wahl-O-Mat durchgespielt, wozu es gar keinen Grund gab, ich weiß auch so, was ich wählen werde. Es war mehr eine Frage des Prinzips und des Rituals. Das Ergebnis war eh klar, erwartbar und zweifelsfrei. Grün ist nach der Logik dieses Tools vorne, trotz allem ist das weiterhin so. Die radikale Rechte ist ganz hinten, und auch der Rest verteilt sich planmäßig und weitgehend wie immer über das Spektrum, das kann mich alles nicht überraschen.

Einige Parteien habe ich nicht einmal gekannt, aber das wird sicher vielen, wenn nicht fast allen so gehen. Und bei dem Bündnis der unsäglichen Sarah W. habe ich gemerkt, dass ich die schon wieder kurz vergessen hatte. Oder nein, verdrängt eher. Ach, die gibt es jetzt ja auch als separate Partei, man wird sich also damit abfinden müssen. Man macht was mit.

Generell empfinde ich die Nachrichtenlage und die Entwicklung der Gesamtsituation weiterhin als wahnsinnig anstrengend, abstoßend und tendenziell überfordernd. Die Welt entwickelt sich allzu sehr in eine von mir nicht gewünschte Richtung und reagiert nicht auf meine Beschwerden.

Es ist eine Zumutung, das alles, es ist eine geschichtliche Kränkung größeren Ausmaßes. Ich denke zwar, geschichtliche Kränkungen sind erwartbar, zumindest geben das die Geschichtsbücher zweifelsfrei so her, wenn man einmal nachliest, aber manches wird gar nicht weniger anstrengend, wenn man es auch noch so klar und lange erwartet. „Denn was ich gefürchtet habe, ist über mich gekommen, und wovor mir graute, hat mich getroffen.“ Aus dem Buch Hiob, Sie werden es wohl kennen. Das könnte ich auch einmal nachlesen, wenn es mir schon einfällt, den Roman von Joseph Roth dazu hatte ich im letzten Jahr gerade, ein gutes Buch.

Ich bin jedenfalls noch lange nicht damit durch, den richtigen Umgang mit diesem Thema zu finden. Vielleicht werde ich auch nie damit durch sein. Die Vermutung liegt allmählich nahe, denn es zieht sich alles immerhin schon etwas hin. Aber unsere vorhergehenden Generationen waren wohl auch nicht damit durch, nehme ich an, bis zu ihrem Ende nicht. Je älter ich werde, desto wahrscheinlicher kommt mir das vor.

Kopfschüttelnd gehen wir irgendwann aus der Welt. Vielleicht seit der Steinzeit schon, vielleicht seit dem ersten Aufrichten in der Savanne.

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Gerne gesehen: Diese Doku über Edward Hopper auf arte. Eine Doku wie ein Bildband, das fand ich erholsam. Und erholsam ist wichtig.

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Was wäre wenn

Gesehen: Die Paul-Auster-Doku auf arte, Was wäre wenn. Ich finde es etwas irritierend, allerdings nicht unangenehm irritierend, dass Auster, seine Kleidung und seine Wohnung etc. in manchen Momenten so aussehen, als seien sie aus einer Woody-Allen-Film-Szene geschnitten. Es ist irritierend, obwohl es nur logisch und naheliegend ist. Diese Optik, die man gut kennt, dieses New York einer intellektuellen Oberschicht, in der Geld vorhanden und kein Thema ist, wie auch immer man dazu gekommen ist. Es ist diese Art, eher langsam zu reden, sich nur moderat zu bewegen, bestimmte Hemden und Pullover zu tragen und gelassen durch ein großes Wohnzimmer zu gehen, es ist dieses besondere Licht im Raum, es sind diese Möbel und die Bücherregale. Es ist ein seltsam vertrautes Setting, man hat es schon oft gesehen.

Einen kurzen und heftigen Moment der New-York-Sehnsucht hatte ich beim Zusehen. Ich war einmal beruflich da, lange ist es schon her, aber es war genauso beindruckend, wie es dem Klischee entspricht. Sprachlos dort an einer Ampel nahe dem Broadway gestanden und gedacht: „Das ist alles echt. Das gibt es alles wirklich.“ Zu geistreicheren Erkenntnissen gar nicht in der Lage gewesen. Später aus einem Hotelzimmer gesehen, irgendwo von einem surreal hohen Stockwerk aus. Mit Kolleginnen da am Fenster gestanden, und ich weiß noch, wir fanden es alle vollkommen unbegreiflich, was wir da sahen, nur fühlbar. New York war zu viel für den Verstand, aber die Bilder reichen bis in meine Gegenwart.

Mein damaliger Chef, wie er in die Twin Towers geht, und wir auf einer Bank davor, draußen in der Sonne auf ihn wartend, denn wir wollten nur diese Szenerie ansehen, am besten stundenlang. Angaffen eher.

Man könnte die Stadt auch mehrfach besuchen, rein theoretisch. Da ich nicht fliege, müsste ich allerdings Zeit und Geld für eine gemütliche und möglichst stilvolle Überfahrt haben und einplanen. Und bei einem gewissen Wahlausgang in den USA würde ich wohl für längere Zeit nicht mehr in dieses Land wollen. Es ist kompliziert, es wird sicher eher nichts, und es macht nichts aus. Es ist nur ein Nebentraum.

Und nebenbei bemerkt, für die Freunde von History Repeating – es geht in der Doku auch kurz um die revolutionäre Stimmung und die Unruhen an der Columbia University im Jahr 1968. Auster wurde dort damals bei einer Demo von der Polizei festgenommen und verprügelt. Er erzählt es so in der Doku, während man beim Zuschauen am Notebook nur einen Tab weiter auf der nächstbesten Nachrichtenseite im Browser noch die aktuellen Bilder und Videoclips aus dieser Universität sehen kann, die Polizeieinsätze, die Proteste, die Rangeleien, die Räumungen.

Anyhow. Ein Sohn lernt hier gerade, solche Floskeln in sein Schulenglisch einzubauen, deswegen denke ich das dauernd: Anyhow. Nach der Doku habe ich noch mehr Lust, Austers Bücher und auch die von Siri Hustvedt zu lesen. Noch einmal vielen Dank dafür, dass eines schon als Geschenksendung hier ankam.

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Ich habe in diesem Text beim Goethe-Institut gelernt, dass kafkaesk auf Polnisch kafkowski heißt, und ich freue mich seitdem enorm über dieses Wissen. Kafkowski – großartig. Stundenlang kann man sich über das Wort begeistern, finde ich.

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Hirsch, Wald, See und Mond

Ein Aldi-Kassierer hat mir neulich beim Einpacken der Ware vom Laufband zurück in den Einkaufswagen anerkennend und mit sportlehrerhaft gegrinstem Zunicken Spitzengeschwindigkeit attestiert, ein vermutlich eher seltenes, schwer zu erhaltendes Lob in diesen Läden.

Ich habe bisher nicht viel erreicht im Leben, aber das dann doch. Und nebenbei ergibt das auch schon wieder eine gute Grabsteinidee: „Er konnte einpacken.“

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In der U-Bahn zum Garten sehe ich ein junges Paar. Arm in Arm stehen sie auf dem Bahnsteig, aneinander gelehnt. Er hat ein Ölgemälde unter dem Arm, etwa in Schulzeichenblockgröße, ein schmaler, goldlackierter Rahmen. Darauf abgebildet ein röhrender Hirsch am Waldsee, ein Klassiker des gutbürgerlichen Wohnzimmers. Das Bild ist in durchsichtige Plastikfolie eingeschlagen, man kann Hirsch, Wald, See und Mond dadurch noch erkennen.

Die beiden suchen sich Plätze in der Bahn und halten Händchen, sie knutschen auch etwas und sind offensichtlich bestens gelaunt. Sie lachen, sie kichern, sie albern herum. Sie werden das Bild vermutlich auf einem Flohmarkt erworben haben, nehme ich an, bei Verwandten abgestaubt womöglich. Vielleicht werden sie es ironisch in die erste gemeinsame Wohnung hängen, sie sehen aus, als seien sie im passenden Alter dafür, und vielleicht werden sie darunter unironischen Sex haben. Nein, sicher werden sie das. Oben der brünstige Hirsch, der Wald, der See und der Mond, unten die beiden Verliebten.

Man hat manchmal Bilder im Kopf, im Mai. Sie kennen das vielleicht.

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Durch die offene Balkontür höre ich am Nachmittag, wie jemand irgendwo Akkordeon spielt, my bonnie lies over the ocean. Die Melodie hängt in den Bäumen auf dem Spielplatz, eine maritime Tongirlande im frischen Maigrün. Das Lied habe ich schon lange nicht mehr gehört und für einen Moment erscheinen mir tatsächlich Küstenbilder im Kopf, Segelschiffe und Hafenanlagen, manchmal funktioniert Musik wie gewünscht. Wenn ich diesen Absatz einfach beende, das Notebook zuklappe, das Sakko greife und augenblicklich losgehe, ich bin in etwa, na, zwanzig Minuten unten am Hafen, an der Elbe, an den Landungsbrücken. Aber das demnächst lieber nicht machen, fällt mir ein, denn es steht schon wieder der Hafengeburtstag an, da wird es also unfassbar voll werden, Hunderttausende werden erwartet.

Bei einem der Gespräche auf dem Land neulich haben wir wieder gemerkt, dass Menschen zu diesem Mega-Event tatsächlich begeistert in die große Stadt fahren. Wir würde deswegen eher aufs Land fahren. Bloß weg davon, bloß raus aus der überlaufenen Stadt. Die Perspektiven sind doch arg unterschiedlich.

Aber der Garten wird als Fluchtpunkt für die Herzdame und mich okay sein, wir müssen immerhin nicht erst over the ocean. Wir müssen nur mal eben over the Bille.

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Ungetrübt munter bis aufgekratzt

Gehört: Ein Zeitzeichen zu Wolfgang Neuss.

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Am Sonntagmorgen, ich habe noch nachzutragen, fällt fast lautloser Landregen auf die Dachfenster im Heimatdorf der Herzdame, unter denen ich schlafe. Kohlmeisen und Amseln sehe ich beim ersten Licht im nassen Laub der Bäume davor, ungetrübt munter bis aufgekratzt sind die Vögel, und saisonal angemessen laut. Die Wolken lockern sich wieder auf, noch während ich hinsehe. Himmelsausrisse in freundlichem Hellblau.

Ich bin ganze zwei Stunden wach, bevor hier das erste Auto zu hören ist, und dann ist es ein Trecker. Das Land wird heute wieder allen Erwartungen gerecht.

Ich lese nach dem üblichen Bloggen noch lange am Schreibtisch, während die Familie weiterschläft. Einige weitere Kapitel in der Kafka-Biografie, er lernt gerade erst Felice Bauer kennen und es ist noch Leben für ihn übrig, einige weitere Beziehungen auch. Ich lese selten in Büchern am Morgen, fällt mir nach einer Weile auf, schon gar nicht stundenlang. Das Lesen ist für mich seit Jahren fest mit dem Abend verbunden, etwa ab 19 Uhr fühlt es sich richtig an. Die Lektüre am Morgen hat dagegen einen Beiklang von Untätigkeit und Zeitverschwendung, das scheine ich geradezu verlernt zu haben.

Das also auch mal wieder angehen. Und dann wieder über die eigene Zeit verfügen, wie ein Mensch mit Kontrolle über vieles, sogar über sich selbst. Fake it till you make it.

Noch einige müßige Stunden sind wir im Heimatdorf der Herzdame. Ich höre zwischendurch The Nightly Radio, immer noch empfehlenswert für schöne Entdeckungen und auch eher Schräges, es läuft gerade Annette Hanshaw.

Und ich lese währenddessen immer weiter, der Briefwechsel Kafka-Bauer nimmt Fahrt auf und wird bald, so beschreibt es Reiner Stach, zur Brieflawine.

Es gibt noch einmal Spargelsuppe.

Schließlich die Rückfahrt nach Hamburg, die eine Unterwasserfahrt wird. Aller Regen des Tages passt in diese zwei Stunden, fällt entlang der Autobahn, steht über dem Stau, zieht mit uns mit und bis nach Hamburg hinein. Noch in den Garten folgt uns der Regen, wo wir die Nachwuchspflanzen ausladen und erst einmal nur die kleinen Töpfe in die Beete stellen. Das reicht auch schon, um nass zu werden, woran die Pflanzen sicher mehr Spaß haben als wir.

Die weiteren Erdarbeiten folgen später in der Woche.

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Der Montag dann wieder im Home-Office. Ein etwas holperiger Start nach dem Wochenendausflug aufs Land, von Schwung und Begeisterung kann keine Rede sein, die sind beide noch zu erarbeiten. Immerhin eine kurze Woche, das murmelt vermutlich ein erheblicher Teil der Bevölkerung an diesem Morgen, immerhin eine kurze Woche. Man sucht sich die Lichtblicke zusammen.

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Gelbspötter, Gartenrotschwanz, Gemüse

Vorweg ein herzlicher Dank für die so überaus prompte Zusendung von Austers Baumgartner! Ich bin sehr angetan von meinem Lesestapel auf dem Nachttisch, vollkommen aus Geschenken bestehend, das ist schon schön. Ich freue mich jeden Abend, wenn ich das sehe.

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Hier eine erstaunliche Geschichte für den Freundeskreis Typografie, die Schrift aus der Themse, ein Plot mir Rache und Leidenschaft und Glück und allem. Gefunden via Newsletter von Semafor.

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Ich mag diese feinen Linien von Blog zu Blog, bei denen man das Netz so deutlich erkennt, das Web. So finden Sie etwa den gestern von mir erwähnten Krautgeruch und das Bilderbuchhafte auch viel weiter südlich bei Landlebenbloggerin wieder.

Und heute teilen wir dann den Spargel, siehe weiter unten bei mir und auch bei ihr. Wobei der natürlich im Moment etwas erwartbarer ist und in noch mehr Blogs vorkommt, etwa hier bei Frau Novemberregen. Würde man ein Tool basteln, welches in Blogs, also in mehr oder weniger tagebuchartigen Blogs, die gleichzeitigen Erwähnungen von was auch immer in einer Datenbank dokumentieren würde, das wäre auch soziologisch, geschichtlich usw. interessant.

Aber da bloß nicht weiterdenken, sonst wird es am Ende ein Projekt. Man sieht es schon bedrohlich Gestalt annehmen, kaum denkt man etwas länger darüber nach. Was man da alles ablesen könnte! So verlockend!

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Auf dem Land in Nordostwestfalen habe ich in der Vogelstimmenbestimmungs-App noch den Gelbspötter, die Lerche, die Türkentaube und den Gartenrotschwanz auf einem Spaziergang als „sicher erkannt“ ergänzt, während sich oben mehr und mehr Regenwolken aufbauten und zunächst folgenlos und theaterkulissenhaft herumdrohten, während es schnell kühler wurde und der Gesang in den Büschen am Wegesrand etwas leiser.

28 erkannte Vögel habe ich jetzt auf meiner Liste, und es kommt mir immer noch vor, als seien das eher wenig für so viel Suche. Auf der Vogelinsel Trischen wurden gerade an nur einem Tag 47 Arten beobachtet, aber gut, das kann man nicht vergleichen.

Unser Spaziergang führte zum Friedhof, der Vater der Herzdame starb vor einem Jahr. Wir führten Gespräche darüber, ob der letzte 4. Mai gerade eben war oder doch schon erstaunlich lange her ist. Es fällt mal so und mal so aus, denn die Zeit ist eine ungewisse Größe, und alle Messbarkeit täuscht.

Wir tranken danach Kaffee und aßen Kuchen im Garten, mit einem Pullover mehr ging es gerade noch. Abends gab es den ersten weißen Spargel, den dann schon im Haus. Die vorgezogene Sommerwärme ist durchgezogen und erst einmal vorbei, es wird jetzt wieder ein paar Tage lang ein herkömmlicher Mai gereicht, und es soll mir auch recht sein.

Die Herzdame und ich haben beide Farben des Spargels nun ordnungsgemäß konsumiert und diesen Teil des Jahres damit quasi erledigt. Nein, der Rhabarber fehlt uns noch. Den demnächst einmal aus dem Schrebergarten Garten mitnehmen und zum Traditionskompott verarbeiten. Und dann gibt es auch bald die ersten Erdbeeren, diese Freude kommt erst noch. Währenddessen den Stachelbeeren beim Wachsen zusehen, den Heidel-, Him- und Johannisbeeren auch.

Mit Obst und Gemüse durch das Jahr, bis hin zur ersten Weihnachtsmandarine.

In der Landgärtnerei haben wir am Sonnabend noch diverse vorgezogene Pflanzen gekauft, wie in jedem Jahr seit wir den Garten haben. Wir stellten alles mit einer gewissen Routine zusammen, und unübersehbar war das bei einigen anderen Paaren um uns herum auch so: „Holst du eben die Tomaten, ich geh schon zum Kohlrabi.“ Und dann alles wie immer. Man weiß, wo was steht, man weiß, wie viel man braucht und was in den eigenen Beeten gut wächst und gedeiht: „Den Rosenkohl machen wir aber nicht wieder, das war nix.“

Dazwischen Eltern, die ihren Kindern die Welt erklären.

„Papa, was ist Rosmarin?“

„Na, das ist auch so eine Pflanze.“

Einen Kofferraum voller Kleingrün ergab dieser Einkauf für uns, und ein vielteiliges To-Do für die Beete in Hamburg.

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Nur nebenbei und eher widerwillig habe ich am Abend die Nachrichten aus Hamburg, Deutschland und der Welt gelesen, und ich habe alles ausgesprochen schauderhaft gefunden.

Schließlich weiter in der Kafka-Biografie, das ging besser. Was auch etwas über die Weltlage aussagt.

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Illusionen am Abend

Wir sind aufs Land gefahren, durch das nervenzersetzende Hamburger Baustellenwirrwarr und durch das unwegsame Niedersachsen, wo der Raps einige Wochen zu früh blüht. Was die Landschaft an einigen Stellen nicht davon abhält, im Sonnenschein betont postkartenmäßig auszusehen, gelbgrüne Frühlings-Show-Effekte der klassischen Art. Hier und da müsste man vielleicht noch einen Schweinelaster aus der Ansicht wegretuschieren, denn es sind so viele, dass sie schon wieder ausgedacht wirken. Als würde man durch ihre Abbildung irgendein Vorurteil über das Bundesland bestätigen wollen. Und wer hätte das im Sinn, ich gewiss nicht.

Wir fuhren am späten Nachmittag. In den Dörfern und kleinen Städten sah man von Plakaten blickende und schlagwortende Politikerinnen. Viele davon, es sind heraufziehende Wahlkampfzeiten. Da fuhr ich durch, bevor ich die Nachrichten von den Angriffen auf plakatierende Politiker sah, die man zweifellos als weitere Meldungen über Abbrucharbeiten an der Demokratie verstehen muss. Es gibt nicht wenige dieser Meldungen in letzter Zeit und die Lage ist ernster, als man es den Plakaten ansieht, die noch nach Wahlkampf wie immer aussehen. Es ist aber nicht mehr wie immer.

Ich ging später noch mit Sohn II im Heimatdorf der Herzdame spazieren und redete mit ihm über Gott und die Welt. Das sind zwei Themen, die eine Weile und für ein gutes Stück Landstraße reichen, und wir reden immer schon gerne darüber. Die Felder und Äcker neben dem Weg wurden gerade abendfeucht und ein Duft nach Erde, Kraut und Blüten stieg auf, so ein berauschender Duft, den ich in Hamburg immer vermisse. Gut riechen, das hat die große Stadt eher nicht im Angebot. Das erleben wir nur manchmal in der Gartenkolonie, am Ufer der Bille im Sommer, und auch das kommt nicht häufig vor.

Zwei Reiher flogen dicht an uns vorbei. Wir sahen den Fasan vom Dienst am Feldrand stehen und Rebhühner am Waldrand, zumindest hielt sich sie dafür. Eine Eule und mehrere andere Greifvögel. Störche und Rehe und Hasen, wir hatten das volle Programm. Das Land bot alles auf, was Großstädter gemeinhin attraktiv finden und worauf sie reflexmäßig mit den Fingern zeigen, guck mal, guck mal. Auch letztes Sonnenlicht auf alten Bauernhäusern und dergleichen. Ziegelrot aufglimmende Mauern unter ehrwürdigen Dächern und weit im Hintergrund sogar ein Mensch, der im Garten Wäsche aufhing, weiße Laken im leichten Wind.

Bilderbuchland. Und manchmal gibt man sich den Illusionen auch gerne hin.

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Aus einer anderen Epoche

Bei RND gibt es einen Rechner für die Temperaturabweichung seit Anfang 23 im Vergleich zum langjährigen Mittel, man kann das Ergebnis nach PLZ ermitteln und staunt dann vermutlich nicht schlecht.

Unabhängig von der Datenlage gab es in dieser Woche in Hamburg den ersten Tag, den alle (also alle in meinem Umfeld) eindeutig als zu heiß empfunden haben, nicht nur seltsam warm, der eher ein Juli-Tag war, mit Hochsommeratmosphäre, der völlig falsch war und beunruhigend. Noch beunruhigender, wenn man bedenkt, dass dabei die ganze Zeit ein leichter Wind ging, seltener Ostwind, ohne den es sich noch deutlich wärmer angefühlt hätte.

Der erste Tag im Jahr auch, an dem es schlauer schien, auf der Schattenseite der Straße zu gehen. That escalated quickly. Ich chatte im Home-Office mit Kollegen in Indien, ich sehe nebenbei nach, wie heiß es bei denen ist. Dagegen ist es hier frisch, aber wem helfen Relativierungen.

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Der gleich folgende Link ist für Sie womöglich nicht übermäßig interessant.

Aber am Ende ist die schöne Regel, nach der alle Fragen, die mit „Bin ich eigentlich der/die Einzige …“ beginnen, kategorisch verneint werden können, eine der Regeln, die ich im Laufe meines Lebens mehrfach und vollumfänglich bestätigen konnte und die ich für wirklich wichtig halte, es ist also am Ende doch für sie interessant.

Ich habe jedenfalls in den Neunzigern aus Gründen der Liebesblödigkeit, aus verdammt guten Gründen also, bei den Nachrichten nicht aufgepasst. Kategorisch nicht, wie schon mehrfach im Blog erwähnt, deswegen fand ich die kurze Zusammenfassung der deutschen Geschichte in den Neunzigern bei Radiowissen (23 Minuten) hörenswert und auf eine angenehme Art belehrend.

Auf eine gewisse Art war es leider auch etwas peinlich hörenswert, denn ich müsste ernsthaft mehr wissen, mit meinem heutigen Anspruch gedacht. Ich weiß nicht einmal mehr genau, ob ich zu den geschichtlichen Vorgängen in diesem Jahrzehnt, und so wenige waren es nicht, eine auch nur halbwegs fundierte Meinung hatte und wie grünlinks oder auf die alte Art liberal, die Älteren erinnern sich, sie wohl war. Ich kann nur feststellen, dass ich auf eine gewisse Art geistig nicht dabei war, als das alles passiert ist. Wie damals, noch ein Jahrzehnt davor, in der Mittelstufe in Mathe – innerlich komplett abwesend.

Gerade gestern sah ich zufällig, was Sohn I im Moment für Mathe lernen muss, kurz vor der Oberstufe, und mir sagte keiner der Begriffe etwas, nicht einmal ansatzweise, nicht einmal die Kapitelüberschriften. Und doch hatte ich das alles auch einmal. Ich bekam meine letzte Arbeit in dem Fach allerdings mit dem Vermerk „Kaufen Sie sich einen Sarg“ zurück. Das Lehrpersonal war direkt damals, deutlich direkter als heute.

Rainald Grebe, in seinem Song “Die Neunziger“:

„Ich bin ein altes Brauereipferd, aus einer anderen Epoche

War das im Pleistozän oder letzte Woche“

Egal. Ich war damals eben anders, da kann ich nichts mehr machen. Ich kann nur mein stark abgelenktes Vergangenheits-Ich kritisch und kopfschüttelnd im Rückspiegel ansehen, und was nützt das.

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Alles wird unermesslich bleiben

Ich habe den ersten Band der Kafka-Biographie von Reiner Stach durchgelesen und den zweiten dann geradezu gierig begonnen, die Jahre der Entscheidungen (der Band erschien vor dem von mir zuerst gelesenen, er hat die Jugend zum Schluss beschrieben, aber egal). Nach wie vor bin ich schwer beeindruckt von der Fülle der Details und der Genauigkeit, man muss beim Lesen immer wieder „Was muss das für eine Arbeit gewesen sein!“ denken. Aber die drei Bände haben auch ein paar Jahre gebraucht. Zwanzig, wenn ich es richtig erinnere.

Sich zwanzig Jahre lang mit dem Leben eines anderen zu beschäftigen, das kann ich mir kaum vorstellen, finde es aber als Konsument des Ergebnisses gut und lobenswert, dass es jemand gemacht hat.

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Am durchsonnten Feiertagsmorgen habe ich Brötchen vom Bäcker geholt. Die Passanten liefen alle in Sommerkleidung herum, sogar mit der lässigen Barfußvariante schon und teils auch in Klamotten, die verdächtig nach Pyjama aussahen, sind wir hier in Berlin oder was. Drei bedruckte T-Shirts begegneten mir auf dem kurzen Weg nacheinander, das wirkte schon wieder alles seltsam inszeniert, diese Wirklichkeit war mir schon wieder durchgehend verdächtig.

Auf dem ersten T-Shirt stand „Moin!“, auf dem zweiten stand „Strandglück“ und auf dem dritten stand „Love autism, hate racism“. Eine norddeutsch progressive Textilparade sah ich da. Wobei ich mir bei der dritten Variante nicht hundertprozentig sicher bin, es hing immer etwas Jacke vor den Buchstaben. Dies schien mir aber die wahrscheinlichste Ausdeutung zu sein, und immerhin auch eine, mit der ich sympathisieren kann.

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Es starb Paul Auster, an dessen Büchern ich irgendwann einmal, vor etlichen Jahren, gescheitert bin, ich weiß längst nicht mehr, warum genau und an welchem Buch eigentlich. Da vielleicht noch einmal hineinsehen. Man ändert sich, die Lesephasen ändern sich und auch Todesfälle bestimmen manchmal die Leseliste. Serendipity der schattigen Art.

Serendipity. Ich lese die Wortherkunft nach, wieso habe ich das nicht längst einmal gemacht. So ein merkwürdiger Begriff, was ist das für ein Fremdwort und woher bloß. Der Wortstamm verweist auf Ceylon, guck an, und während ich das lese, ich mache leider zu oft mehrere Sachen gleichzeitig, läuft nebenbei ein Podcast über Ceylonzimt und steht in sämtlichen Nachrufen, dass es Paul Auster oft um den Zufall ging. Schön, schön. Vielleicht auch eher: „Hex, hex.“

Ich lese also die Nachrufe (hier im Guardian etwa). Es gibt welche, in denen auch Kafka genannt wird, ich bleibe also im aktuellen Bezugsrahmen. Ich lese auch die online stehenden Klappentexte seiner Werke, ich merke dies und das vor. „Baumgartner“ könnte mich gerade interessieren, nehme ich an. Beim SRF sehe ich in einem Nachruf eine eingebettete SRF-Literaturclub-Sendung mit 16 Minuten über das Buch, eher verreißend, eher abwertend und sogar mit einleuchtenden Argumenten, aber ich finde es dennoch interessant. Es wird in dem Buch zu viel über das Alter gejammert, höre ich, da kann ich also nachlesen, was ich später nicht tun soll. Okay, das ist auch recht, ich bin lernwillig.

Siri Hustvedt schreibt dagegen auf Instagram, dass der Autor in der letzten Zeit nicht gejammert habe, überhaupt nicht. Wenn ich schon dabei bei, in ihre Bücher auch noch einmal ansehen. Schon hat man wieder viel vor, was das Lesen betrifft.

Es ist vielleicht etwas unpassend, das ausgerechnet bei einem Todesfall zu notieren, aber ist es nicht überaus angenehm, dass es mit absoluter Sicherheit immer genug zu lesen geben wird? Was für ein überzeugend tröstlicher Gedanke. Man durchschwimmt diesen Ozean nicht, es geht nicht ums Anlanden. Alles wird unermesslich bleiben, was auch ein guter Titel für einen Prosatext wäre, aber das nur am Rande.

Selbst wenn man hundert Jahre und mehr erreichen sollte, kann man vermutlich immer noch neue Bücher entdecken, die begeistern oder neue Richtungen aufzeigen werden. Das ist sehr gut eingerichtet.

Bei aller Schlechtigkeit und umfassenden Trostlosigkeit der Welt, auch einmal die brauchbaren und rettenden Details loben. Das scheint mir seelisch nützlich zu sein.

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